Friedhof ohne Kreuze (F/I 1969)

Starke Frauen sind im Western sträflich unterrepräsentiert. Für die südeuropäische Genre-Ausprägung gilt das sogar noch mehr als für einschlägige US-Vorbilder. Eine Ausnahme bildet „Friedhof ohne Kreuze“, der zwar gemeinhin als Spaghetti-Western klassifiziert wird, im Ursprung aber einer französischen Produktion entspricht. Finanzhilfen aus Italien erleichterten Regisseur und Hauptdarsteller Robert Hossein („Die Legion der Verdammten“) die Realisierung seines Werkes, mit dem er und Filmpartnerin Michéle Mercier, die u. a. in „Angélique“ (1964) gemeinsam vor der Kamera agierten, einen karrieristischen Richtungswechsel einläuteten.  

Der wortkarg ausgebreitete Plot fußt auf einem klassischen Konzept: Rache. Die schwört Maria Caine (Mercier), nachdem sie mitansehen musste, wie ihr Gatte von Viehzüchter Will Rogers (Daniele Vargas, „Django – Sein letzter Gruß“) aufgeknüpft wurde. Mit seinen Söhnen Larry (Serge Marquand, „Barbarella“), Frank (Pierre Hatet, ebenfalls „Angélique“) und Bud (Philippe Baronnet, „Der Clan der Sizilianer“) merzt der alternde Patriarch etwaige Konkurrenten gnadenlos aus. Widerstand leistet niemand. Außer Maria. Mit Unterstützung ihrer Schwager Eli (Michel Lemoine, „Agent 3S3 pokert mit Moskau“) und Thomas (Guido Lollobrigida, „Mit Django kam der Tod“) holt sie zum Gegenschlag aus. Dessen entscheidendes Werkzeug: Revolvermann Manuel (Hossein). 

Maria ist seine große (unerfüllte) Liebe. Und umgekehrt. Dass ihm seine Mission wenig behagt, hält ihn nicht davon ab, sie bis zur letzten Konsequenz zu erfüllen. Der Loyalität wegen. So hagelt es stets Kugeln, wenn er die schwarzen Handschuhe überstreift. Dass Manuel in den halbverfallenen Resten einer verlassenen Ansiedlung haust, bürgt für eindringliche Bilder und trägt der insgesamt bedrückenden Stimmung heuer zu. Er schleust sich in Rogers Gefolge ein und entführt dessen einzige Tochter Diana (Anne-Marie Balin). Der Coup soll den Tyrannen zwingen, bei einem öffentlichen Trauerzug Reue für die Ermordung von Marias Mann zu zeigen. Das ungewöhnliche Ziel: Rache durch Bloßstellung, nicht durch Gewalt. Das Ende der Eskalation ist damit aber längst nicht besiegelt.

Hossein inszenierte seinen melancholisch getragenen Film – eine weitere atmosphärische Säule: der Score seines Vaters André („Und die Wälder werden schweigen“) – als Hommage an Sergio Leone und dessen „Dollar“-Trilogie. Bei den Dreharbeiten im spanischen Almeira soll Leone nach Ausführungen Hosseins zu Besuch gewesen sein und drehte eine markante Szene gleich selbst: das Essen, bei dem Manuel in den Kreis von Rogers Männern eingeführt wird. Die kollektive Beobachtung des Neuankömmlings schafft dabei eine gesteigerte Anspannung, die durch den Springteufel im Senfbehälter unerwartet entschärft wird. Die Intensität eines Leone erreicht Hossein zwar nur selten. Trotzdem muss der erste französische Western der Filmgeschichte zu den ich düstersten Genre-Beiträgen gezählt werden.

Großspurige Dialoge braucht es dazu nicht. Einige Szenen bleiben gar komplett wortlos. Bei der angedeuteten Vergewaltigung Dianas etwa genügen allein die Blicke der sehenswerten Darstellenden, um die emotionale Komplexität in all ihrer Bitterkeit zu erfassen. Die Methoden gefallen selbst Maria nicht. Und doch kann sie nicht anders. Wie auch Manuel, der sein Schicksal am Ende aus freien Stücken besiegelt. Bei der italienischen Fassung von „Friedhof ohne Kreuze“ wird Kult-Regisseur Dario Argento („Suspiria“) als Dialogautor angeführt. Hossein, der selbst am Drehbuch mitarbeitete, gab hingegen zu Protokoll, dass Argento an der Entwicklung des Skripts unbeteiligt war. Auch das zeigt: Das Auskommen des Films ist vorrangig Hosseins Verdienst. Aus der enthusiastischen Warte heraus sollte man dankbar dafür sein. Allein schon der ungewöhnlich prägnanten Rolle Merciers wegen.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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