„Ob in Staatsdienst, Kommentarfeed oder Presse: Wenn du nicht gegen Rechts bist, halt die Fresse!“ – ‘Paroli‘
Es gibt nur wenige Platten, die der Lage der Nation ein adäquater Spiegel sind. Eine solche ist der KAFVKA-Drittlangspieler „Paroli“, in dem ein Thema immer und immer wieder behandelt wird: Rassismus. Mit geschliffenen Texten, die jeder Punkband den Rang ablaufen, bohrt das Berliner Rap-Rock-Kollektiv in offenen Wunden und trägt mit messerscharfen Analysen zu aktuellen Gesellschaftsdiskursen bei. Unterlegt ist das Ganze, neben den zu erwartenden Beats, mit Stromgitarre. Und Bass. Und Schlagzeug. Der Zulauf wird so gerade für die Punk-Klientel erleichtert. Allerdings erscheint der Crossover-Aspekt insgesamt weniger prägnant als in der Vergangenheit. Problematisch ist das mitnichten.
Neben der Politik steht die Selbstreflexion. Ihr gebührt bereits der „Prolog“, in dem der Vierer den zunehmenden Weg in die Öffentlichkeit beschreibt. Ähnlich veranlagt sind auch „Dorfjugend“, „Wir gehen zu weit“ und der finale Track „AHN FAQ“, in dem Kritik an der ursprünglichen Version von „Alle hassen Nazis“ (2018) offengelegt wird, ohne die grundlegende Message zu beeinträchtigen. So wichtig diese Beiträge für KAFVKA auch sein mögen, im Kontext von „Paroli“ stehen sie zurück. Das allerdings provoziert die Band selbst, wenn sie dem an zweiter Stelle platzierten Titelstück (zugleich einer der größten Hits der Platte) mit „Tanz deinen Schmerz weg“, „Alle hassen Nazis“ (im Remix) und dem an den ÄRZTE-Klassiker „Schrei nach Liebe“ anknüpfenden „SNL“ unmittelbar die nächsten Pamphlete gegen (systemischen) Rassismus, Ausgrenzung und Mobilmachung von Rechts folgen lassen.
Aus Sicht der privilegierten weißen Mittelschicht ist insbesondere „Ally“ ein Augenöffner, der regelrecht forciert, sich und seine Wahrnehmung von Ungleichbehandlung zu hinterfragen. Die Corona-Pandemie erfährt mit „Geschichte“ und „Skip 2020“ ebenfalls eine angemessen kritische Betrachtung. Damit bietet „Paroli“ einiges zum Nachdenken, denn bei klarer Haltung gegen Neo-Nazis, AfD & Co. ist bei KAFVKA ebenso wenig Schluss, wie an den deutschen Landesgrenzen (siehe exemplarisch „Alles was wir tun“). Der darum drapierte Sound gibt in seiner breiten Klangfarbenpalette gleichermaßen Headbangern und Tanzflächenstürmern Anlass für Bewegungsschübe. Für die nötige Wucht in allen Bereichen ist damit gesorgt. Bleibt nur zu hoffen, dass Werke wie dieses ihren Teil dazu beitragen können, die Lage der Nation nachhaltig zum Positiven zu verändern.
Wertung: (8,5 / 10)