„In an urban society, everything connects. Each person’s needs are fed by the skills of many others. Our lives are woven together in a fabric. But the connections that make society strong also make it vulnerable.“ – der Erzähler
Der Kalte
Krieg war von der ständigen Angst vor einem Atomschlag geprägt. Anlass zur
Sorge boten neben dem konstanten Wettrüsten politische Anfeindungen; so tätigte
US-Präsident Ronald Reagan 1983 die Aussage, Russland wäre ein „Reich des
Bösen“. Bis Ende der 1980er trieb die Furcht vor der Bombe verschiedene
Filmschaffende dazu, das unvorstellbare „What if“-Szenario erfahrbar zu machen.
Der neben „The Day After“ (1983) wohl bekannteste Beitrag ist „Threads“, den
Mick Jackson (verantwortete in Hollywood u. a. den Kassenschlager „Bodyguard“)
für die BBC fertigte.
Parallelen zwischen dem US-Vorreiter und seinem britischen Nachfolger sind
zweifelsfrei gegeben. Doch während sich „The Day After“ auf Einzelschicksale
vor und nach der Atomexplosion konzentriert, weist „Threads“ einen
semi-dokumentarischen wie gleichwohl neorealistischen Charakter auf, der
Prozesse der Vorbereitung und erwartbare Stadien der Auswirkung beschreibt.
Eindringlich sind beide Ansätze. Allerdings geht Jackson entscheidende Schritte
weiter, derer es am Ende fast zu viele sind.
Die Handlung spielt in Sheffield, wo das junge Paar Ruth (Karen Meagher,
„Chernobyl: The Final Warning“) und Jimmy (Reece Dinsdale, „Midnight Man“)
flügge wird. Nach Sex im Auto wird sie schwanger, beide schmieden
Hochzeitspläne und mieten eine gemeinsame Wohnung an. Während die alltäglichen
Entwicklungen im Zeitraffer skizziert werden, entzündet sich ein fataler
Konflikt zwischen Ost- und Westmächten: Durch den Einmarsch russischer Truppen
in den Iran gerät die Weltpolitik in eine kriegerische Abwärtsspirale, deren
Eskalation den Einsatz atomarer Sprengköpfe inkludiert.
„Hanging in
the atmosphere, the clouds of debris shut out the sun’s heat and light. Across
large areas of the Northern Hemisphere it starts to get dark, it starts to get
cold. In the centers of large land masses like America or Russia, the
temperature drop may be severe, as much as 25 degrees centigrade.“ – der Erzähler
Der Filmtitel resultiert aus verwundbaren infrastrukturellen Knotenpunkten, die
in der Herleitung mit einem Spinnennetz gleichgesetzt werden. Dies komplexe
Gefüge kollabiert, mit einem Schlag, als allein in Großbritannien Bomben mit
einer Sprengkraft von 210 Megatonnen detonieren. Die Zuspitzung wird über einen
mitunter minutiösen, penetrant ratternden Nachrichtenticker präsentiert.
Gezeigt wird (fast) nichts. Beklemmend ist es trotzdem. Gerade, weil es die
Perspektive der unbeteiligten Bevölkerung abbildet, die der Entwicklung an den
verschiedenen Nachrichtenquellen beiwohnt.
Dabei wird in
kurzen Ausschnitten der grassierende Alarmismus offenbart: Hamsterkäufe,
Landflucht, Proteste und Aufruhr auf den Straßen. Exemplarischer Vertreter der
behördlichen Mobilmachung ist Bürgermeister Sutton (Harry Beety, „Heartbeat“),
der bis zum bitteren Ende versucht, eine koordinative Kontrolle zu bewahren.
Allerdings bleiben die Charaktere als Reflektoren äußerer Einflüsse nur
Beiwerk. Emotionale Ergriffenheit erfolgt weniger über sie, als vielmehr das
beklemmende Gesamtszenario. Dabei geht „Threads“ weiter als „The Day After“,
indem die Spannungsfelder im gesellschaftlichen Miteinander stärker akzentuiert
werden – und der Krieg international verheerendere Wellen schlägt.
Dass der Film technisch überholt erscheint, mindert die Wirkung keineswegs. Das
liegt auch am streng nüchternen, maßgeblich zur Erschütterung beitragenden
Tenor. Nach den Explosionen und dem radioaktiven Fallout beginnt ein
gnadenloser Kampf ums Überleben. Plünderer werden in Lagern zusammengetrieben, Hungernde
von Soldaten mit Waffengewalt zur Ordnung gezwungen. Ein Off-Sprecher
beschreibt zu eingeblendeten Schwarz-weiß-Fotografien von Trümmerlandschaften
die wissenschaftlich fundierten Folgeerscheinungen: So führt der durch die
Explosionen verdunkelte Himmel zu rapidem Temperaturabfall. Landwirtschaft kann
im Folgejahr nur rudimentär betrieben werden. Ausreichend ernährt wird daher nur,
wer arbeiten kann.
Die Botschaft ist klar: Ein Leben nach der Bombe ist nahezu unmöglich. Nach dem Krieg schrumpft die englische Bevölkerung auf Mittelalter-Niveau. Der Einfluss auf das kognitive Vermögen der Folgegenerationen wird an Ruths Tochter (Victoria O‘Keefe) veranschaulicht, die als Teenager eingeschränkt sprachfähig erscheint und nach einer Vergewaltigung zum Abschluss selbst Nachwuchs gebiert, der als blutiges Bündel kaum befähigt scheint, der Menschheit eine hoffnungsvolle Zukunft zu bereiten. Gerade dies endzeitliche letzte Kapitel schweift deutlich von der atomaren Gefahr der Gegenwart ab. Zwingend notwendig erscheint das nicht, doch unterstreichen die Macher eindrücklich, dass die fatalen Konsequenzen anhalten, wenn die Verursacher des Atomkriegs längst vergangen sind. Mit dieser Botschaft brennt sich das mit vier BAFTA-Awards prämierte Drama unweigerlich ins Gedächtnis.
Wertung: (8,5 / 10)