Don’t Look Up (USA 2021)

„We have exactly six months, ten days, two hours, 11 minutes and 41 seconds, until a comet twice the size of Chicxulub tears through our atmosphere and extincts all life on Earth.” – Kate

Stell dir vor, es ist Weltuntergang und niemand interessiert sich dafür. „The Big Short“-Regisseur Adam McKay nutzt diese Prämisse für eine entlarvende Satire, die bei aller Überspitzung verblüffend exakt den Zeitgeist erfasst. Ausgangspunkt ist eine wissenschaftliche Entdeckung, die Astronomie-Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence, „Silver Linings“) und ihren Mentor, Professor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio, „The Revenant“), das Ende der Menschheit prophezeien lässt: Ein Komet von der Größe des Mount Everest befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Während dies Narrativ Blockbuster wie „Armageddon“ oder „Deep Impact“ (beide 1998) zu waghalsigen Rettungsmissionen trieb, geschieht bei McKay… nichts. Zumindest beinahe.

Mit Unterstützung von NASA-Spezialist Teddy Oglethorpe (Rob Morgan, „Stranger Things“) versuchen Kate und Randall Gehör bei US-Präsidentin Orlean (Meryl Streep, „The Iron Lady“) zu finden. Nur ist die in bester Trump-Manier damit beschäftigt, politische Skandale zu umschiffen und bei den anstehenden Wahlen kompetent zu erscheinen. Gemessen an ihrem Sohn und Stabschef Jason (Jonah Hill, „The Wolf of Wall Street“) ein denkbar schwieriges Unterfangen. Also soll die Presse helfen, die Randall und Kate rät, die drohende Katastrophe bei einem Auftritt in der populären Fernsehshow von Jack Bremmer (Tyler Perry, „Vice“) und Brie Evantee (hinter ihrer Lifting-Maske kaum zu erkennen: Cate Blanchett, „The Aviator“) publik zu machen. Allein: Der Aufruhr bleibt aus. Die Öffentlichkeit nimmt in den sozialen Netzwerken lieber Anteil am Beziehungschaos von Pop-Sternchen Riley Bina (Ariana Grande).

Die Cleverness von McKays Skript liegt in der genüsslichen Überbietungslogik. Immer wenn das Publikum glaubt, eine weitere Steigerung der Absurdität wäre kaum möglich, setzt der Filmemacher noch einen drauf. So kommt unverhofft Bewegung in die Sache, als sich Orlean, um schwachen Umfragewerten zu trotzen, in zeitgemäßer Polemik doch noch der Gefahr aus dem Weltall widmet. Allerdings hat die vom vaterlandstreuen Militär-Veteran Drask (Ron Perlman, „Hellboy“) als sinnfreier Identifikationsfigur begleitete Zerstörungsmission einen entscheidenden Haken: Der Killer-Asteroid enthält seltene Erden, die der exzentrische Technologie-Multi Peter Isherwell (Mark Rylance, „Bridge of Spies“), eine Mischung aus Jeff Bezos, Elon Musk und Peter Thiel, unbedingt bergen will.

Wohin das führt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: Das Schicksal der Welt aus streng US-amerikanischer Perspektive (das Handeln der Großmächte Russland und China wird lediglich am Rande thematisiert) erscheint wohlverdient. Im Kern geht es um den Hang, wissenschaftliche Fakten nicht allein zu bezweifeln, sondern schlicht zu negieren. Dabei fällt es schwer, die Parallelen zu Klimawandel- und/oder Corona-Leugnern zu übersehen. Dass dabei auch den Medien ein Spiegel vorgehalten wird, darf als ein Grund verstanden werden, warum „Don’t Look Up“ von Journalistenseite teils heftig kritisiert wurde. Dabei gab es selten einen Film, der ungeachtet seiner konsequent überzogenen Erzählform so nah an der (vorstellbaren) Realität bleibt.   

Das Ensemble samt diverser Oscar-Preisträger*innen läuft unter McKay zu Hochform auf. Neben Jennifer Lawrence, deren Kate als Reflektor der Meme-Kultur zum Feindbild der Leugner-Fraktion avanciert, und der großartig chargierenden Meryl Streep ist einmal mehr auch Leonardo DiCaprio hervorzuheben, dessen von Depressionen und Panikattacken erschütterter Normalo mit plötzlichem Ruhm und den Avancen Bries zu kämpfen hat. Als Kontrastfigur dieser Entwicklung erscheint Randalls Gattin June (Melanie Lynskey, „Fremd in der Welt“), die gen Ende für die Rückkehr zur Bürgerlichkeit steht. Als Pamphlet gegen menschliche Ignoranz (und grassierende Dummheit) holt „Don’t Look Up“ zu einem Rundumschlag aus, der mitunter Gefahr läuft, die Satire auf spöttische Fingerzeige zu reduzieren. Doch ist es gerade die konsequente Überspitzung – man beachte die im Abspann aufgelöste Besiedlung eines alternativen Heimatplaneten –, die der entgrenzten Gegenwartskultur ein entlarvender Spiegel ist.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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