The Vigil – Die Totenwache (USA 2019)

Wenn in den vergangenen Jahren Mystery-Horror um die Gunst des internationalen Kinopublikums buhlte, war Produzent Jason Blum meist nicht fern. Mit seiner Firma Blumhouse hat er sich auf professionelle Genrefilme mit Kleinbudgets spezialisiert und u. a. durch „Paranormal Activity“, „Insidious“ und „The Purge“ seriale Erfolgsgaranten geschaffen. Selbst auf drei Oscar-Nominierungen (für „Whiplash“, „Get Out“ und „BlacKkKlansman“) kann der 52-jährige bereits verweisen. Sein Hang, Regieneulingen eine Chance zu geben, fußt auf überschaubarem finanziellem Risiko. Allerdings hat auch Covid-19 Blumhouse getroffen. Eines der durch Kinoschließungen betroffenen Werke ist „The Vigil“, zu dem Blum 2019 die Distributionsrechte für Nordamerika erwarb.

Die kammerspielartige Gruselvariante zieht ihre Besonderheit aus der Verankerung im jüdischen Glauben. Zu dessen Traditionen zählt die Totenwache (Shemira), bei der Verstorbene in der Nacht vor der Beerdigung in ihrem Zuhause von einem Menschen behütet werden (je nach Geschlecht Shomer oder Shomeret), der durch Lesungen aus der Tora dafür sorgt, dass sich kein böser Geist des Leichnams bemächtigt. Aber was, wenn ein solcher bereits zu Lebzeiten Besitz von ihm ergriffen hat? Die Konsequenz dieser Ausgangslage bekommt der junge Yakov Ronen (Dave Davis, „Jeepers Creepers 3“) zu spüren, der sich nach dem traumatischen Tod seines jüngeren Bruders von der angestammten New Yorker Gemeinde abgewandt hat.

Die akute Geldknappheit verleitet Yakov dazu, gegen Bezahlung kurzfristig als Schomer einzuspringen. Im Haus eines zu Lebzeiten völlig isolierten Holocaust-Überlebenden soll er über den Toten wachen. Neben ihm ist einzig Mrs. Litvak (Lynn Cohen, „München“), die Witwe des Verstorbenen, anwesend. Nachdem sie zu Bett gegangen ist, bleibt der Totenwächter allein im dunklen Untergeschoss zurück. Mit suggestiven Kameraeinstellungen, flackernden Lampen und einer Musik, die vom Fleck weg wenig Gutes erahnen lässt, verläuft die Herleitung des Schreckens in konventionellen Bahnen. Yakovs zunehmende Unbehaglichkeit wird durch die anonyme Zusendung eines Handyvideos, das ihn selbst schlafend zeigt, und die Sichtung eines schwarzen, knöchernen Körpers verstärkt.  

Der Mazzik, so der Name der Spukgestalt mit rückwärtsgewandtem Kopf, labt sich an der Seele gebrochener Menschen und zehrt diese langsam auf. Der seinerseits zerrüttete Yakov drängt sich als Folgeopfer des Dämons regelrecht auf. Als Wahn und Wirklichkeit näher zusammenrücken und Flucht unmöglich erscheint, bleibt als letzter Ausweg die Konfrontation des Nachtalps. Der reduzierte Inszenierungsansatz, bei dem eingeblendete Messaging-Konversationen mitunter Dialoge ersetzen, wird von Davis‘ eindringlicher Performance getragen. Die punktierten Jump Scares wirken, anders als der religiöse Motivgrund, jedoch zu vertraut, um das Debüt von Regisseur und Autor Keith Thomas aus der Masse ähnlich gearteter Produktionen hervorstechen zu lassen. Positiv herauszustellen bleibt allerdings die Raum für Interpretation schaffende Unschärfe der Schlussszene. Die dürfte auch Blum gefallen. Vor allem der Fortsetzungsoption wegen.    

Wertung: 5.5 out of 10 stars (5,5 / 10)

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