Der feine Herr Soundso – Wann, wenn nicht irgendwann? (2021, Bakraufarfita Records/Hochdruck MuSick)

***Ironie ein***

Es ist einer der größten Skandale im deutschsprachigen Punk seit… eigentlich immer. Die Rede ist vom „Faultiergate“, das jedem zahnarmen Säugetier durchs skelettierte Mark und Bein dringen sollte. Der Hintergrund: Für das Cover ihres Debütalbums „Wann, wenn nicht irgendwann?“ haben DER FEINE HERR SOUNDSO dasselbe Faultier-Skelett-Motiv benutzt wie DIE PHILS für ihre 2015er Klangschale „Depridisco?“. Dass hinter beiden Platten, neben einem Fragezeichen, Bakraufarfita Records steht, dimensioniert den Fauxpas nicht eben kleiner. Und dann hieß die Vorgänger-EP der räuberischen Hamburger auch noch „Beweisstück A“. Aber seien wir ehrlich: Ideenklau im Punk? Jetzt haben wir alles erlebt!

***Ironie aus***

Es ist schon komisch (***Ironie immer noch aus***). In der hiesigen Besprechung von „Beweisstück A“ war das Fazit, dass der Klang von DER FEINE HERR SOUNDSO jenseits sämtlicher offensichtlicher Qualitäten mehr Volumen vertragen könnte. Ohne diese knapp vier Jahre zuvor herausgehustete Meinung im Vorfeld noch einmal bemerkt zu haben, drängte sie sich unweigerlich auch bei „Wann, wenn nicht irgendwann?“ auf. Gerade die doppelt entfesselte Gitarrenfront wirkt mitunter etwas kraftlos, während das Schlagzeug stellenweise zu sehr in den Hintergrund gerät. Trotzdem ist die Scheibe rundheraus bemerkenswert. Paradoxerweise auch der oben bescheinigten Malusse wegen. Denn die DIY-Anmutung des Sounds passt einfach viel besser zum unentwegt kritischen Charakter der Texte als zeitgemäß dick auftragendes Stadiongerumpel.

Als Profiteure dieser sympathisch schnoddrigen Herangehensweise erweisen sich auch der melodische Plärrgesang und das nicht selten zart melancholisch geprägte Stimmungsbild. Das Tempo bleibt weitgehend im mittleren Drehzahlbereich und hilft, die Ecken und Kanten der 13 Stücke erkennbar herauszustellen. Das Salz in der Suppe bleiben aber die wiederum hochklassig formulierten Botschaften. Natürlich sind DER FEINE HERR SOUNDSO nicht die Ersten (oder Letzten), die sich über Themen wie Religion („Firlefanz“) oder Rechtsruck („Sekunden bis zum Donner“) auskotzen. Und dennoch gelingt es ihnen beständig, eine Perspektive einzunehmen, die abseits gedroschener Phrasen sowohl erhellend als auch nachdenklich stimmt.     

Unbedingt erwähnenswert bleiben auch der gegen musikalische Grauzonen gerichtete Opener „RAL8019“, die Sexismus (im subkulturellen Musikraum) verurteilenden „Hottest Chicks in Punk“ und „Karate“ (mit 45 Sekunden zugleich der kürzeste Beitrag), das nostalgische Verklärung zerlegende „VSV“, das „Refugees Welome“-Heuchler abwatschende „Eppendorf“ oder das allen, die so gern aktiv wären, ihren Arsch aber nicht hochbekommen, in selbigen tretende „Kalsarikännit“. Daneben sagen die Nordlichter auch einfach mal hintersinnig „Danke“ oder erzählen in „Antitüde“ die allegorische Geschichte zweier grundverschiedener Alt-Punks. Zu meckern gibt es da herzlich wenig. Zum Mitgrölen hingegen umso mehr. Und nein, vergessen wurde das ausbaufähige Volumen bei all der verdienten Lobhudelei nicht. Nur sollten selbst kleinere Abstriche nicht davon abhalten, Urheber und Platte zünftig abzufeiern.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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