Die Filme von Paul Thomas Anderson sind keine leichte Kost und treffen erst recht nicht den Nerv eines Massenpublikums. Wer daran nach „There Will Be Blood“ noch Zweifel hegte, wird mit dem sperrigen Psycho-Drama „The Master“ den untrüglichen Beweis finden. Über 130 Minuten wird darin das Verhältnis eines trinksüchtigen Kriegsveterans zu einem Sektenguru beschrieben. Dabei sträubt sich Anderson, der auch das Skript verfasste und produzierte, gegen sämtliche Konventionen und ergründet seine Figuren mit bisweilen zäher Gemütsruhe. Was dies höchst eigenwillige Werk jedoch unbedingt sehenswert macht, sind neben Andersons gewohnt starker Regie und der monoton-jazzigen Musik von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood die intensiven Leistungen der Hauptdarsteller.
Der für die bizarre Fake-Doku „I’m Still Here“ abgetauchte Joaquin Phoenix feiert in der Rolle des zerrissenen Streuners Freddie Quell ein sensationelles Comeback. Ausgemergelt, mit nach vorn hängenden Schultern und zusammengepresstem Mundwinkel legt er eine schier schmerzhafte Gardeperformance hin und übertrifft dabei selbst den einmal mehr großartig aufspielenden Philip Seymour Hoffman (im fünften Film unter Andersons Regie). Dessen an Scientology-Gründer L. Ron Hubbard angelehnter Lancaster Dodd ist ein manipulativer Wissenschaftler und Autor, der die Glaubensgemeinschaft „The Cause“ gegründet hat. In Freddie findet er einen Vertrauten, zugleich Versuchskaninchen, der durch Alkoholismus und unberechenbare Ausbrüche aber ein stetes Risiko bleibt.
Für die Auskleidung dieser sonderbaren Männerfreundschaft braucht es weder Tempo noch Ereignisreichtum. Der Auftakt gehört allein Phoenix, der das Kriegsende als Matrose an der Alkohol-Destille erlebt. Es folgen verschiedene Jobs, die allesamt unrühmlich enden – und ihn 1950 schließlich als blinden Passagier auf ein Boot treiben, das Dodd für die Hochzeit seiner Tochter gechartert hat. Der Meister, wie er genannt wird, entwickelt eine gewisse Faszination und mehr noch ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem rastlosen Freddie. Der schließt sich den Sektierern an, die vornehmlich wohlbetuchte Förderer (u.a. Laura Dern, „Wild at Heart“) mit quasi-hypnotischen Sessionen und suggestiven Fragerunden von den kryptischen Lehren ihres Meisters überzeugen.
Das in Nebenrollen mit Amy Adams („The Fighter“) als Dodds schwangere Ehefrau und Jesse Plemoms (gab den kaltblütigen Todd in der Serien-Sensation „Breaking Bad“) als dessen Sohn trefflich besetzte Drama entwickelt trotz traniger Story eine Sogwirkung, die zwischen Faszination und Abscheu auf die schrittweise Präzisierung der Figuren blicken lässt. Dass die klassische Eskalation am Ende ausbleibt und sich das Figurengeflecht eher beiläufig löst, fügt sich konsequent ins Gesamtbild eines Films, der so weit abseits vom Einerlei Hollywoods rangiert, wie irgend möglich. Sitzfleisch wird vorausgesetzt, adäquate Entschädigung sind jedoch bereits die grandiosen Schauspielerleistungen.
Wertung: (7 / 10)