„There’s something in the fog!“ – Stevie
John Carpenter weiß, was einen herausragenden Horrorfilm ausmacht. Das offenbarte er zwischen den Genre-Klassikern „Halloween“ (1978) und „The Thing“ (1982) auch mit „The Fog – Nebel des Grauens“. Gemeinsam ist allen drei Beiträgen, neben der simplen Prämisse, die perfekt ausgespielte Urangst vor dem im Dunkeln lauernden Unbekannten. Nur ist es hier kein maskierter Mörder oder Körper in Beschlag nehmendes Alien, sondern eine Gruppe rachsüchtiger Seeleute, die sich an den Einwohnern einer kleinen US-Küstenstadt rächt.
Der Anfang ist die Legende, eine Lagerfeuer-Gruselgeschichte, die genau als solche gereicht wird. Seemannsgarn eben, erzählt von einem alten Seebären (Oscar-Preisträger John Houseman, „Zeit der Prüfungen“). Mit dem Unterschied, dass der wahre Kern der Schauermär exakt 100 Jahre nach besagten Ereignissen in einen Alptraum besonderer Güte mündet. Denn die Gründung von Antonio Bay fußt auf einem grausamen Verbrechen, bei dem die sechs Stadtväter ein Schiff mit falschem Leuchtfeuer in die Klippen führten und plünderten. Während in der Gegenwart die Vorbereitungen für die Jubiläumsfeier der Gemeinde laufen, braut sich auf dem Meer großes Unheil zusammen.
Dessen Vorboten sind Stromausfälle, Erschütterungen oder sich selbständig machende Gerätschaften. Der wahre Alptraum folgt jedoch erst mit Aufziehen einer dichten, befremdlich leuchtenden Nebelbank. Mit ihr kommen die auferstandenen Toten, die das erlittene Unrecht mit Säbel und Bootshaken sühnen. Die Besatzung eines Fischerbootes vor der Küste bekommt den Zorn der gespenstischen Seeleute zuerst zu spüren. Danach geht es Richtung Festland, wo Bürgermeisterin Kathy Williams (Janet Leigh, „Psycho“) nebst Assistentin Sandy (Nancy Loomis, „Assault On Precinct 13“) das Stadtjubiläum anrichtet.
„The celebration tonight is a travesty. We’re honoring murderers.” – Father Malone
Im Tagebuch seines mitschuldigen Ur-Großvaters findet Pfarrer Malone (Hal Holbrook, „Dirty Harry 2 – Calahan“) Zeugnis der mörderischen Ortsgründung. Neben ihm geraten u. a. Radio-Moderatorin Stevie Wayne (mit der wohl besten Leistung ihrer Karriere: Carpenters damalige Gattin Adrienne Barbeu, „Die Klapperschlange“), Bootseigner Nick Castle (Tom Atkins, „Halloween III“) und Anhalterin Elizabeth Solley (Leighs Tochter Jamie Lee Curtis, „Halloween“) in tödliche Gefahr. Wie sehr die Handlungsorte Carpenters Spannungsmaximierung tragen, offenbart sich mustergültig an Stevies einsam gelegenem Leuchtturm-Studio. Ganz zu schweigen von der kurzzeitig wandelnden Leiche im Krankenhaus (als Arzt beteiligt: Darwin Joston, „Assault on Precinct 13“).
Carpenter, der zu Beginn einen Cameo-Auftritt in der Kirche absolviert, drehte den klassischen B-Stoff für schlappe eine Millionen Dollar. Dass er sein mit ausgeklügelter Licht-Schatten-Dramaturgie (und anspielungsreicher Figurenbenennung) versehenes Werk dennoch im Breitwandformat realisierte, unterstreicht die Ambition des Filmemachers. Der konnte sich bei der Umsetzung auf bewährte Kollaborateure verlassen: Das Drehbuch schrieb Carpenter mit seiner angestammten Produktionspartnerin Debra Hill („Flucht aus L.A.“), die Kamera bediente Dean Cundey („Big Trouble in Little China“) und das Produktionsdesign sowie den Schnitt verantwortete „Halloween III“-Regisseur Tommy Lee Wallace.
Die fokussierte Regie Carpenters, der auch den suggestiven Synthie-Score komponierte, kommt ohne Umschweife zur Sache. Dabei mögen manche Schockmomente ein wenig zu kalkuliert erscheinen, als mustergültiger Nervenzerrer geht der dezent angestaubte Schocker aber auch nach mehr als vier Jahrzehnten noch durch. Verblüffenderweise kommt „The Fog“ dabei ohne einen Tropfen Kunstblut aus. Das Grauen, verstärkt durch die Make-Up-Effekte von Rob Bottin („The Thing“), der ob seiner Statur auch Untoten-Anführer Blake spielt, manifestiert sich weitgehend im Kopf des Zuschauers. John Carpenter weiß eben, was einen zeitlosen Horrorfilm ausmacht.
Wertung: (8 / 10)