Die mutierten Ninja-Schildkröten von Kevin Eastman und Peter Laird sind Comic-Kulturgut. Auch in Kino und TV begeistern die vier kampferprobten Amphibien seit (mindestens zwei) Generationen ein vorwiegend junges Publikum. Seit den späten 1980ern flimmerten diverse Zeichentrick- und Animationsserien sowie Realverfilmungen über die Bildschirme und Leinwände der Welt, flankiert von Videospielen und teils düster brutalen Comic-Erweiterungen. Das Maß aller Dinge, zumindest aus Retro-Perspektive, bleibt die ab 1987 über zehn Staffeln produzierte Trickfilm-Reihe (mit dem von Frank Zander eingesungenen deutschen Titelsong). Von ihr, wie generell den meisten Interpretationsansätzen des Stoffes, hebt sich das neuerliche Reboot, „Mutant Mayhem“ betitelt, ab.
Zu verantworten haben dies das Regisseurs-Duo Jeff Rowe („Die Mitchells gegen die Maschinen“) und Kyler Spears („Amphibia“) sowie die produzierenden und am Drehbuch beteiligten Seth Rogen („This Is the End“) und Evan Goldberg („The Interview“). Ihr Neuanstrich bleibt dem grundlegenden Charakter treu, beugt diesen jedoch Richtung Coming-of-Age. Will heißen, das Hadern der tierischen Teenager mit den alltäglichen Sorgen der Adoleszenz nimmt einen maßgeblichen Teil der Geschichte ein. Der „Neuanstrich“ ist mit Bezug auf den Animationsstil zudem wörtlich zu nehmen: Die Visualität wirkt skizzenhaft und im Stil von Ölkreide-Bildern eröffnet. Das erscheint zunächst gewöhnungsbedürftig, zahlt insgesamt aber in beeindruckender Manier auf die betonte Eigenwilligkeit ein.
An bekannten Motiven – und vor allem Anspielungen an diverse Ausprägungen der Turtles – mangelt es dem Action-Abenteuer trotzdem nicht. Dabei hält die Exposition der im New Yorker Abwassersystem durch genverändernde Substanz (das ominöse Ooze) zu menschenähnlichen Mutanten reifenden Schildkröten manch irrwitzige Idee parat. So unterrichtet Ziehvater Splinter (im Original mit der Stimme von Martial-Arts-Ikone Jackie Chan, „Rumble in the Bronx“), eine ebenfalls mutierte Ratte, die Turtles auf Basis von Trainingsvideos und altschulischen Kung-Fu-Filmen in verschiedenen Kampfkünsten. Und voller Körpereinsatz ist gefragt, um den Superschurken Superfly (Ice Cube, „Friday“), eine übergroße Fliege, davon abzuhalten, das Ooze in die Atmosphäre zu bringen und das Gros der irdischen Lebewesen in Mutanten zu verwandeln.
Dabei glauben der emotional im Mittelpunkt stehende Leonardo (Nicolas Cantu, „Die Fabelmans“) und seine Brüder Michelangelo (Shamon Brown Jr., „The Chi“), Donatello (Micah Abbey) und Raphael (Brady Noon, „Boardwalk Empire“) zunächst, in Superfly und Gefolge – als Sprecher der beliebten Rocksteady und Bebop fungieren John Cena („Fast X“) und Seth Rogen, während „Ant-Man“ Paul Rudd Mondo Gecko die Stimme leiht – endlich Zugehörigkeit und Akzeptanz gefunden zu haben. Dieser Eindruck resultiert aus Splinters Lehre, dass die Menschen einen unberechenbaren Gefahrenquell bilden. So angebracht die Vorsicht bei solchen wie der durchtriebenen Tech-Konzern-Vorsteherin Cynthia Utrom (Maya Rudolph, „Inherent Vice“) auch erscheinen mag, so verkehrt ist sie bei Schülerin und Nachwuchsreporterin April O’Neil (Ayo Edebiri, „The Bear“).
In ihr (hier als Afroamerikanerin figuriert) finden die Helden eine Unterstützerin und mehr noch Freundin. Auch für sie stellen sich die Schildkröten Superfly entgegen, was in ein Finale samt gigantischer Monster-Action mit Godzilla-Anklang mündet. Der auf handelsüblichen Blockbuster-Krawall getrimmte Schlussakt wirkt dezent ermüdend, mindert aber nicht die gefällige Gesamtanmutung des nicht allein im direkten Vergleich zum Gros der bisherigen „Turtles“-Adaptionen überaus sympathischen Films und seiner Coming-of-Age-Anklänge. Denn gerade die verpassen dem Fantasy-Anteil eine buchstäblich jugendliche Erdung. Hoffen wir also auf ein Wiedersehen mit den Ölkreide-Turtles, bei dem, wie es eine Abspannszene verrät, auch Erzschurke Shredder mitmischen dürfte.
Wertung: (7 / 10)