Bereits mit ihren beiden ersten Platten, „Dispo Dancing“ (1997) und „Personennahverkehr“ (1998), hatten SUPERNICHTS bewiesen, dass sie eine Besonderheit im Deutsch-Punk-Zirkus darstellten. Statt politischer Themen ackerten sich die Kölner lieber an Aspekten alltäglicher Absurdität ab. Den Parolen-Punk überließen sie anderen. Die selbstauferlegte Schublade klang mit „Urbaner Asi-Pop“ ohnehin viel cooler. Ihr erstes Filetstück legten die vier Herren kurz nach der Jahrtausendwende mit „Chaosübersehgenie“ vor, dem dritten Langspieler und zugleich dem ersten mit KNOCHENFABRIK-Trommler Achim Lauber am Schlagzeug.
Wenn es im so kurzen wie treibenden Opener „Deconstruction Tour“ heißt, „Diese Lieblingsattitüde geht mir ziemlich auf den Sack. Supernichts töten euch alle: Fuck, Fuck, Fuck, Fuck“, wird klar, dass es hier nicht darum geht, zu gefallen. Die Band zieht ihren Stiefel ungeachtet davon durch, ob er nun individuell passt, oder nicht. Die beißende Säufer-Ode „Kein Problem“ ist ein mit Feuer, Paarreim-Brillanz und viel Tempo vorgetragener Knaller, dem mit „Pik As in Aspik“ die ätzende Abrechnung mit selbstauferlegten Kunsteliten in der Bundeshauptstadt folgt. Bereits das zeigt: Die Geschwindigkeit bleibt so variabel wie der Melodieanteil. Und der gesangliche Einsatz.
Während Frontal-Vorturner Harry Krishner im Verlauf der 18 (!) Stücke naturgemäß den meisten Stimmanteil trägt, kommen auch Achim und Gitarrist Frank zum Zuge. Der Drummer ist dabei für die unterschwellig kritischen Stücke zuständig, allen voran „Nicht schuldig“. Das Niveau bleibt beständig hoch, egal ob nun Feiertags-Ausschweifung („Heute nackt“), ein (Alp-)Traumerlebnis mit Schlagerstar („Tötet Onkel Jürgen“), Grölchor-Maxime („Alle Mann am Abgrund“) oder Vereinsaktionismus „Ich möchte Teil einer Seniorenbewegung sein“ im Mittelpunkt steht. Großkalibrige Hits finden sich auch (oder erst recht) in den Evergreens „Der Kassenwart“, „Korn Cola-Light“ und „Wir haben uns total toll verstanden“. Den Letztgenannten gab es bereits auf dem Vorgänger. Doch da knallte er längst nicht so üppig.
Auf „Chaosübersehgenie“ ist einfach für jeden etwas dabei – zarte Asi-Attitüde vorausgesetzt. Aus dem Rahmen fällt einzig das Cover des BRONSKI BEAT-Klassikers „Smalltown Boy“. Aber dieser Trend ging eben auch an SUPERNICHTS nicht spurlos vorüber. Dafür werden zum krönenden Abschluss, mit „Ingo Dubinski / Andie MacDowell“, plärrig experimentelle Pfade beschritten werden. Hier darf sich auch die kulturell anspruchsvolle Klientel beruhigt zurücklehnen und am Cognac nippen. Zeitlos geile Platte, ohne Wenn und Aber!
Wertung: (8,5 / 10)