Detlef – Human Resources (2023, Bakraufarfita Records)

„Ich raste aus, wenn ich höre, was du so alles erinnerst. Mega-toleranter, multi-betroffener Heiland. Niemand spricht eine gerechtere Sprache als du. Und an der Supermarktkasse stößt du alte Omas vom Band. Ich raste aus! – ‚No Tears‘

Auf eines ist Verlass: Bei der Betitelung ihrer Alben wälzen DETLEF alte Pflichtlektüre aus dem Grundkurs Organisationsmanagement. So folgt auf „Kaltakquise“ (2018) und „Supervision“ (2020) in dritter Instanz „Human Resources“. Früher hieß das noch Personalabteilung, aber englische Fachtermini sind en vogue und stehen den Kölnern rundheraus trefflich. Denn, bitte festhalten, auch im Rahmen der üblichen 19 Songs wird Fremdsprachenkenntnis bewiesen: Beim – bleiben wir im Duktus – Opener „Alphadad“ singt Detlef Meurer (der mit dem Fuchsschwanz an der Gitarre) unermüdlich „Don’t forget the Alphadad“ und im Refrain von „Straße der lachenden Verlierer“ wird ein saftiges „Hate is just a four letter word, keep on diggin‘ in the dirt“ geschmettert. Gar nicht so verkehrt!

Damit nicht genug, wird bei der abschließenden Nummer (Neu-Deutsch: Final Track) – das in der Herleitung an das SUPERNICHTS-Meisterwerk „Ingo Dubinski/Andie MacDowell“ erinnernde „Was ist männlich?“ – statt Testosteron das englische Pendant gerufen. Wer braucht da noch Telekolleg-Seminare? Aber nicht nur der Blick über den muttersprachlichen Tellerrand belegt, dass es bei den drei Detlefs einiges zu erleben gibt. Na klar, da ist die heißgeliebte Zeitgeist-Breitseite aus überspitzt spöttischer Perspektive, die u. a. Gutmenschen mit Social-Media-Selbstdarstellungstrieb („Der gute Mensch“), Influencer-Dumpfbacken („Alle sind so schön“), Air BnB-Quasi-Gentrifizierer („Konrad ist ein Superhost“) oder peinliche Menschen beim „Jungesell:Innenabschied“ abwatscht, während „Mein Körper ist vernünftiger als ich“ zur Selbstreflektion mahnt. Das Ende der sprichwörtlichen Fahnenstange ist damit aber längst nicht erreicht.

Was „Human Resources“ zum bisherigen Schaffenshöhepunkt in der an Höhepunkten wahrlich nicht armen DETLEF-Vita macht, ist das ausgeprägtere Nebeneinander der emotionalen Extreme. Neben dem Fuchsschwanz bindet Meurer bekanntlich auch die Wut-Krawatte am Rande der Hochkultur. Wenn er bei „No Tears“ (entgegen des Titels ohne englische Textteile) aber im Selbstzerstörungsmodus plärrt, bis die Stimme versagt, erscheint das Prädikat „Großes Kino“ schier unumstößlich. Der Klopper „Manchmal hasse ich mich selbst für meine ganze Empathie“ steht dem nur geringfügig nach. Immerhin das Stimmbandtraktat wird reduziert. Dem gegenüber stehen butterweiche Hintergrundchöre, etwa bei „Affe im Rucksack“ oder „Würdevoll versagen“, die einmal mehr mächtig Bock auf lauthalsen Vokal-Support beim Live-Erlebnis machen.

Da aber auch das nicht reicht, serviert das Trio melancholisch gefärbte Hits, deren Spitze mit dem von Drummer Detlef Löber (der unter dem Künstlernamen Achim Lauber bekanntlich auch KNOCHENFABRIK bereichert) gesungenen „Der Zirkus von Schandelar“ und dem von Bassist Detlef Damm intonierten „Gott in Goa“ erklommen wird. Damit ist lange vor dem „Ich hasse Kopenhagen…“-Chanson-Ausklang klar, dass auf „Human Resources“ Spott, Hass und Tränen ganz nah beieinander liegen. Dass nicht alle Nummern gleichwertig zünden, ist wohl nur „Elon Musk“ eine Genugtuung – der mit den winkenden/lachenden Roboterfrauen, dem Roboterhund und den Roboterkindern. Trotzdem dürfte es im Deutsch-Punk aktuell schwer werden, ein Album mit üppigerem Unterhaltungswert zu finden. Und das dürften auch Personaler*innen und BWL-Justus wortlos unterschreiben.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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