Sperling – Zweifel (2021, Uncle M)

Was wäre das sein ohne Zweifel? An uns selbst wie auch an anderen. Sie können eine Bürde sein, die Entfaltung unterdrückt. Oder aber helfen, zu hinterfragen und eine Entwicklung anzustoßen, die auf beständige Verbesserung ausgerichtet ist. Der Charakter von SPERLING liegt irgendwo in der Mitte. Wie so oft im Leben. Dabei ist „Zweifel“ nicht nur der Titel ihres Debütalbums, sondern bedeutet auch eine gewisse Hürde. Steigen die Zuhörenden mit der fünfköpfigen Band in eine düstere Welt, in der Bedenken mit Depression gleichzusetzen ist? Das kann verschrecken. Gerade in aufgewühlten Zeiten wie diesen. Doch keine Bange, denn selbst wenn die innere Zerrissenheit durchaus konkret thematisiert wird (siehe „Toter Winkel“), sind die Klangfarben zwar vornehmlich dunkel, aber doch vielfältig.

Dazu trägt, neben dem Sprechgesang, das dosiert eingesetzte Cello bei. Beides überein zu bringen, scheint im kreativen Kontext des Post-Hardcores wie eine Herkules-Aufgabe. Doch SPERLING meistern sie mit Bravour (Anspieltipp: „Stille“). Das Genre hat in den letzten Jahren eine Fülle an Combos erlebt, die heimischen Vorreitern wie FJØRT nacheiferten, ohne die Rezeptur zu verändern. Genau das erreicht „Zweifel“ mit beeindruckendem Gespür für Klangkombinationen weit jenseits des zu erwartenden Tellerrands. Das Cello steht für Volumen, eine künstlerische Erhabenheit abseits gängiger Stromgitarrenformeln. Vor diesem Hintergrund erscheint das eröffnende „Eintagsfliege“ wie ein Manifest, gerichtet gegen die Eintönigkeit der deutschen Musiklandschaft.

Die Texte erweisen sich als anspruchsvoll, mitunter poetisch. Sie beziehen Stellung, erzählen Geschichten – und forcieren beständig Emotionen zwischen Bedrückung und Zuversicht. Die Stimme wird nur punktiert erhoben. Als Kontrast der Eruptionen dienen poppige Einschübe, die den mitunter wütenden Ausbrüchen Phasen der Erholung gegenüber stellen. Bei aller Schwere bieten SPERLING aber auch optimistische Töne. Die etwa in „Baumhaus“ thematisierte Herausforderung des Erwachsenwerdens mit all seinen Stolpersteinen ermuntert zum Neuanfang, wenn alles in Trümmern liegt. Damit bricht die Platte mit beeindruckender Konsequenz aus dem Schubladendenken der Musikindustrie aus. Ein Werk, so formal spannend wie inhaltlich fordernd. Zweifel sind da keine angebracht.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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