Sprich mit ihr (E 2002)

sprich-mit-ihrDrei Jahre nach seinem mit Lorbeeren und weit mehr als 40 Auszeichnungen (darunter ein Oscar) überschütteten Meisterwerk „Alles über meine Mutter“ präsentierte der spanische Kultregisseur Pedro Almodovar im vergangenen Jahr sein neues Glanzstück. Das trägt den Titel „Sprich mit ihr“ und erzählt von den sich allmählich verwebenden Schicksalen von vier Menschen, zweier Männer und zweier Frauen. Da ist Benigno (Javier Camera), alleinstehender und einsamer Krankenpfleger, der sich mit absoluter Hingabe um die junge Komapatientin Alicia (Leonor Watling) kümmert, seine heimliche Liebe.

Der Journalist und Autor von Reiseführern Marco (Dario Grandinetti) lernt bei einem Interviewgesuch die Stierkämpferin Lydia (Rosario Flores) kennen und lieben. Die beiden werden ein Paar, doch bei einem der gefahrvollen Spektakel wird Lydia schwer verletzt und verfällt ihrerseits in dauerhafte Bewusstlosigkeit. Bei seinen Besuchen im Krankenhaus lernt Marco schließlich Benigno kennen und die beiden Leidensgenossen werden Freunde. Doch auf einer Reise zum Sammeln neuen Materiales für seine Arbeit erfährt Marco eher zufällig vom Ableben Lydias – und von Benigno, der unter dem Verdacht der Vergewaltigung Alicias im Gefängnis einsitzt.

In leisen, beizeiten poetisch bedachten Bildern lässt Pedro Almodovar die parallel verlaufenden Handlungsstränge allmählich verschmelzen, um sie im Anschluss wieder durch zahlreiche Rückblicke zu isolieren und somit nur das gerade notwendigste der aufgewühlten Charaktere preiszugeben. Die Personalisierungen der Figuren erfolgen bedächtig, beinahe zögerlich, während die Zerbrechlichkeit der Handlungsträger stets fühlbar erscheint. Almodovar gelingt mit einfühlsamer Leichtigkeit das Kunststück, die von völliger Nüchternheit durchzogene Betrachtungsweise des virtuos erzählten Dramas konstant aufrechtzuerhalten und den Zuschauer einzig an den Emotionen der meisterlich gespielten Figuren (in einer Nebenrolle dabei: Geraldine Chaplin) teilhaben zu lassen.

Zwischen Einsamkeit und der Sehnsucht nach Geborgenheit und Wärme wirft „Sprich mit ihr“ einen bewegenden Blick auf das Seelenleben umherstreifender Existenzen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Bei dieser unspektakulären wie ungeschönten Fokussierug auf flüchtige Momentaufnahmen scheut Pedro Almodovar erneut konsequent die Ausschöpfung narrativer Klischees. Er serviert somit kein Rührstück nach den Gesetzen des kommerzorientierten Unterhaltungskinos, sondern vielmehr ein mit leiser Ironie angereichertes Drama, welches in seiner erzählerischen Klasse gar Platz für Elemente des surrealistischen Kinos findet.

Untermauernd erscheint dabei auch die eindringliche wie unaufdringliche musikalische Untermalung, dezent und unterschwellig wie der Gefühlskosmos der feilgebotenen Protagonisten. Lohn dieser beeindruckenden Arbeit war für Almodovar auch in diesem Jahr die verdiente Auszeichnung mit dem Oscar, obgleich er die Trophäe diesmal für das beste Originaldrehbuch in Empfang nehmen konnte. „Sprich mit ihr“ offenbart einmal mehr die Brillanz von Almodovars inszenatorischer Schaffenskraft und beschert dem kinematographischen Universum ein weiteres wahrlich meisterhaftes Stück Arthouse-Kino.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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