Für Peter Parker (Tobey Maguire, „Seabiscuit“) hat sich seit den tragischen Ereignissen vor zwei Jahren das Leben merklich verändert. Hinter der Fassade des studierenden Pizzaboten, der eine kleine Wohnung behaust und nicht genug Geld hat, um die Miete zu zahlen, verbirgt sich noch immer Spider-Man. Dieser jedoch hat ein nicht gerade geringes Problem, denn die Superkräfte lassen den Helden das ein oder andere mal im Stich. Grund dafür ist die nicht ausgelebte Liebe zu Mary Jane Watson (Kirsten Dunst, „Mona Lisas Lächeln“), deren Gefühlen er noch immer nicht so entgegentritt wie eigentlich gewollt, aus Angst, sie wegen seiner eigentlichen Identität in Gefahr zu bringen.
Sein alter Freund Harry Osborn (James Franco, „The Great Raid“) hat in der Zwischenzeit die Firma seines verstorbenen Vaters übernommen und plant mit dem Wissenschaftler Dr. Otto Octavius (Alfred Molina, „Chocolat“) den großen Coup in Form eines noch nie da gewesenen Experiments. Doch das große Ziel wird verfehlt, das Experiment schlägt fehl und die eigentlich von Dr. Octavius über das Projekt gehaltene Kontrolle geht an selbiges verloren. Fortan wird er von seiner eigenen Idee, einem krakenähnlichen Metallanzug, bestimmt und gelenkt, einzig mit dem Willen, es nochmals zu versuchen, nur in einem größeren Rahmen. Die nötigen finanziellen Mittel soll abermals Harry Osborn stellen, der als Gegenleistung den Kopf von „Spider-Man“ fordert und sich so für den Tod seines Vater rächen will. Das bringt nicht nur ihn in Gefahr, sondern auch Mary Jane.
„Spider-Man 2“ ist wohl in diesem Sommer der Film, an dem man nicht vorbei kommt. Knapp 40 Millionen Dollar Einspielergebnis am ersten Tag (Rekord I.) und über 200 Millionen Dollar in der ersten Woche (Rekord II.) kommen nicht von ungefähr. Regisseur Sam Raimi („Darkman“), ehemaliger Alptraum eines jeden Zensoren, behielt für das zweite Abenteuer und der konsequent weitererzählten Geschichte das bereits erfolgreiche Konzept bei, nahm sich jedoch auch die Zeit, die unterschiedlichen Charaktere weiter zu vertiefen. Vor allem die Figur des Peter Parker wird hier als Mensch zwischen zwei Stühlen dargestellt und seine innere Zerrissenheit erhält mehr Raum als im ersten Teil. Auf der einen Seite hat er den beinahe unstillbaren Willen, Gutes für die Menschen zu tun und diese vor allem Übel zu beschützen, doch werden diese Absichten immer wieder von seinen starken Gefühlen zu seiner Jugendliebe Mary Jane durchkreuzt.
So versucht Parker noch immer, sich nicht seinen Gefühlen hinzugeben, da er es als sein Schicksal ansieht, als Spider-Man in den Kampf für das Gute zu ziehen. Offen gezeigte Gefühle und der gewünschte Partner an seiner Seite würden dort nur für Probleme und Gefahr sorgen. Zudem hat man ihn wohl noch nie so hilflos gesehen, als Pizzabote können ihm selbst seine Superkräfte nicht helfen und zu allem Überfluss lassen sich diese auch in zunehmender Weise nicht mehr so einsetzen wie gewohnt. Ein zu Rate gezogener Arzt diagnostiziert ein Kopfproblem, so dass Peter das Spinnen-Kostüm vorerst in die Tonne verbannt und es ihm tatsächlich gelingt, als normaler Mensch zumindest für eine gewisse Zeit Fuß zu fassen. Tobey Maguire fühlt sich in dieser Rolle, seinem Charakter noch mehr menschliche Einflüsse zu verpassen, deutlich wohler als man es stellenweise noch im ersten Teil vermuten mochte. Er wirkt lockerer, zudem hat er in etlichen Situationen die Gelegenheit, auch seine komische Ader zu zeigen.
Das Objekt seiner Begierde ist in diesem Zusammenhang wieder Kirsten Dunst, die im ersten Teil noch seine Nachbarin war und nie einen Hehl aus ihren Gefühlen zu Peter Parker gemacht hat. Auch ihre Position wird im zweiten Film weiter ausgebaut. Auf der einen Seite sieht man sie im Gegensatz zu Parker als gereifte Frau, die sich und ihre Karriere weitergebracht hat, die aber auch erkennt, dass ihre Liebe nicht so erwidert wird, wie sie es sich wünscht und die versucht aus dieser unglücklichen Situation zu entfliehen. Mit von der Partie ist auch wieder James Franco als Harry Osborn, dessen Vater im ersten Teil noch von „Spider-Man“ getötet wurde und der nun an dessen Stelle die Firma leitet. Seine Figur scheint nur noch vom Hass auf den Mörder seines Vaters angetrieben zu werden, dabei agiert er das ein oder andere Mal ein wenig ungestüm und vernachlässigt die Freundschaft zu Parker fast gänzlich.
Als Bösewicht hat es diesmal Alfred Molina getroffen, der als Dr. Otto Octavius nach einem gescheiterten Experiment und ohne eigenen Willen die Stadt New York in Angst und Schrecken versetzt. Seine Rolle hätte als einzige ein wenig mehr Tiefe vertragen können, da ihm im Gegensatz zu den anderen Hauptfiguren weniger Zeit gelassen wird und hier die ein oder andere Filmminute mehr durchaus angebracht gewesen wäre. Auf den ersten Blick beinahe übersehen wurde der Cameo-Auftritt von Bruce „Ash“ Campbell, der ohne Frage ein wenig fülliger und älter wirkt als noch in guter Erinnerung und es spricht für ihn als auch für Raimi, dass dieser kurze und eigentich unbedeutende Moment in den Film eingefügt wurde.
Waren die Effekte in ersten Teil noch hier und da ein wenig schleppend und wirkten vor allem, wenn sich Spider-Man durch die Stadt schwang, arg am PC entstanden, so haben sich die zwei Jahre der tricktechnischen Entwicklung mehr als bemerkbar gemacht. Die Bewegungsabläufe und Flugszenen wirken deutlich flüssiger und ausgereifter, während einige Defizite dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Die Action-Sequenzen sind jedoch ohne Frage mehr als beachtlich inszeniert worden und dürften ihre ganze Wucht auch nur im Kino entfalten können. Fliegende Autos, Kämpfe auf den höchsten Gebäuden der Stadt oder eine ziellos durch New York gondelnde Bahn sind da nur einige Momente, in denen es Sam Raimi ordentlich krachen lässt.
Dass Teil zwei noch nicht das Ende bildet, ist nicht erst seit gestern bekannt, denn Teil drei soll und wird mit den bekannten Gesichtern 2007 in die Kinos kommen. Angesichts des Endes von „Spider-Man 2“ darf man diesen Moment schon jetzt erwarten, denn es hat hier noch einmal eine ganze Steigerung zum ohnehin schon guten ersten Teil stattgefunden. Mit einem deutlichen Anstieg von Humor (vor allem getragen von J.K. Simmons als Zeitungschef), deutlich tiefer dargestellten Charakteren und großen Actionszenen ist „Spider-Man 2“ eine mehr als nur akzeptable Fortsetzung, die gleichzeitig als Paradebeispiel perfekter Popcorn-Unterhaltung genannt werden kann. Eine Tatsache, die einige der angekündigten Blockbuster in diesem Jahr mehr als schuldig blieben.
Wertung: (8 / 10)