Red State (USA 2011)

red-state„People do strange things when they believe they’re entitled. But they do the strangest things when they just plain believe.” – Keenan

Kult-Regisseur Kevin Smith geht fremd. Zwar besinnt sich der „Clerks“-Schöpfer nach „Cop Out“, seinem ersten nicht auf einem eigenen Drehbuch basierenden Film, wieder auf die hergebrachte Prämisse des ´Do it yourself´, rückt dafür aber weit vom angestammten (tragi)komischen Metier alltagsphilosophischer Nerds ab. Denn der von ihm geschriebene, gedrehte und auch geschnittene „Red State“ ist ein fieser kleiner (Pulp-)Thriller mit Horroranleihen, der trotz schwarzhumoriger Einfälle, satirischer Anflüge und einer furiosen Performance von Michael Parks („From Dusk Till Dawn“) nicht durchweg ausgegoren wirkt.

Parks spielt Pastor Albin Cooper, einen militanten christlichen Fundamentalisten, dessen radikale Auslegung der Bibel Homosexualität und Unzucht als Wurzel allen Übels ausgemacht hat. Mit einer verschworenen familiären Gemeinschaft, die durch Blutsverwandtschaft oder Heirat so bedingungslos loyal wie uninfiltrierbar erscheint, hat er sich in einem Anwesen in der tiefsten Provinz verschanzt und begeht seinen Kreuzzug gegen das Böse. Coopers Five Points Church – mit einigen Parallelen zu Fred Phelps Westboro Baptist Church – setzt den Glauben mit Gewalt durch und richtet im irren Welt- und Religionsbild als des Lebens unwürdig erachtete Menschen rigoros hin.

Bevor aber das Innenleben der mörderischen Sekte beleuchtet wird, rücken drei Teenager (u.a. Kyle Gallner, „A Nightmare on Elm Street“) in den Mittelpunkt, die in Aussicht amouröser Abenteuer der Verlockung einer Chat-Bekanntschaft erliegen. Im Wohnwagen der vermeintlichen Nymphomanin, die sich als Coopers Tochter Sarah (Oscar-Preisträgerin Melissa Leo, „The Fighter“) entpuppt, werden sie betäubt und verschleppt. Dem Verdachtsmoment eines demonstrativen Splatterfilms im „Hostel“-Gewand, der sich von der banalen Posse zum sadistischen Blutbad mausert, gibt Smith aber nicht nach. Wie könnte er auch? Der Independent-Filmer ist ein Regisseur der Dialoge, dem das Gespür für klassische Spannungs- und Schockmomente sichtbar abgeht.

Für „Red State“, der ohne Studiounterstützung von privaten Investorgruppen finanziert wurde, ist das durchaus von Vorteil. Smith und sein bewährter Kameramann David Klein („Chasing Amy“) schaffen mit schroffen Bildern und der wortreichen Fokussierung auf Cooper und seine fanatisierten Jünger eine eigentümliche Stimmungslage, deren Artverwandtschaft zum True Crime-Horror zumindest übliche Klischees unterläuft. In der Erzählung bleibt der Film dennoch diffus und sprunghaft. Das zeigt sich besonders im Aufmarsch der Staatsmacht, die die schwer bewaffneten Bibel-Extremisten kurzerhand zu Terroristen erklärt und fernab demokratischer Gerichtsbarkeit zum Abschuss freigibt.

Kleinstadtsheriff Wynan (Stephen Root, „Unthinkable“), ob seiner heimlich ausgelebten Homosexualität von Cooper erpresst, wendet sich an ATF-Agent Joseph Keenan (John Goodman, „Barton Fink“), der ausrückt, um der Sekte das Handwerk zu legen. Die daraus resultierende Belagerung wird zum verlustreichen Kleinkrieg, der vermeintlich klar abgesteckte Grenzen zwischen Recht und Unrecht verschwimmen lässt. Damit wirkt der Streifen letzten Endes überfrachtet, weil Protagonisten und Perspektiven ziellos durcheinandergewirbelt werden. Für einigen Diskussionsstoff sorgt Smith sicherlich. Wenn auch vornehmlich im Bezug auf seine Person. Vom ursprünglich intendierten klassischen Terrorfilm ist „Red State“ trotz sympathischer Unberechenbarkeit nämlich letztlich ebenso weit entfernt, wie von den redseligen Kleinkunst-Komödien der Vergangenheit.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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