„What’s your encore? Do you like to anally rape my mother while pouring sugar in my gas tank?” – Dante Hicks
Als das Telefon ertönt, purzelt Dante (Brian O´Halloran, „Mallrats“) schlaftrunken aus dem Kleiderschrank. An seinem freien Tag soll er den Quick Stop-Kaufmarkt hüten. „I´m not supposed to be here today“, heißt es immer dann, wenn die Überforderung die Ambition übertrumpft. Das geschieht wiederholt. Auch wegen Randall (Jeff Anderson, „Dogma“). Der arbeitet unter gleicher Führung in der Videothek nebenan. Wenn er nicht gerade die Kundschaft verprellt oder über die wichtigen Fragen des Lebens philosophiert, beispielsweise welcher „Star Wars“-Film wohl der beste sei, bringen seine Taten Dante nachhaltig in Schwierigkeiten. Doch der brockt sich den größten Ärger selbst ein, als er versucht seine in Heirat begriffene Ex Caitlin (Lisa Spoonhauer, „Bartender“) zurückzugewinnen. Wohlgemerkt hinter dem Rücken seiner jetzigen Freundin Veronica (Marilyn Ghigliotti, „Bad Hair Day“).
Kevin Smiths „Citizen Kane“, das unerreichte Erstlingswerk, heißt „Clerks“. Zwar revolutionierte die in anachronistischem Schwarz-Weiß gedrehte Independentproduktion nicht das zeitgenössische Kino, doch führte sie eindrucksvoll vor Augen, dass sich Kreativität nicht am Finanzfundament messen lässt. Sein Regiedebüt kostete schlappe 28.000 Dollar – wobei die Nutzungsrechte des Soundtracks den Wert des Budgets noch einmal knapp überstiegen – und machte ihn über Nacht zum Star eines unangepasst frechen Formats der Undergroundunterhaltung. Die von Hollywoods Filmemachern ach so begehrten Freiheiten, allen voran die des Endschnitts, dienten ihm und Co-Produzent Scott Mosier der experimentellen Näherung an das Medium selbst. Und dem stand dieser unbefangene Gegenentwurf zu visueller Glätte und formalem Perfektionsstreben denkbar gut zu Gesicht.
Die Semiprofessionalität hüllt das Gesamtwerk ein, von David Kleins Kamera bis zu den bemühten, wenn auch sichtlich laienhaften Darstellern. Die daraus resultierenden Ecken und Kanten machen den Streifen besonders, nehmen schlussendlich großen Anteil an seinem Gelingen. Es ist die Unverkrampftheit des Unprofessionellen, die fehlende Furcht vor dem Scheitern. Im schlimmsten Falle hätte sich niemand um den Regieversuch eines Mittzwanzigers aus New Jersey geschert, der den Kiosk, in dem er selbst angestellt ist als Kulisse für einen Film missbraucht. Doch es kam anders. Der sympathische Abgesang auf den Stillstand der Jugendsubkultur wurde gefeiert, mit Preisen ausgezeichnet und als Maßstab für eine junge Generation aufstrebender Kreativer eingestuft. Wie zuvor bereits die Beiträge von Richard Linklater („Slackers“).
Mit respektlosen Wortgefechten und absurd überzeichneten Situationen schafft Kevin Smith („Chasing Amy“) ein Panorama der Befindlichkeiten. Während außerhalb der Geschäftsräume die mit Drogen handelnden – und selbst zu gefeierten Kunstfiguren erhobenen – Proleten Jay und Silent Bob (Jason Mewes und Regisseur Smith) Unruhe stiften, hadert Dante, wortreich umspielt von Kumpel Randall, mit dem Schicksal des kleinverdienenden Schulabbrechers. Die bei aller Ironie grundehrliche Tragikomödie vermeidet das Bad in platten Kalauern und setzt mehr auf das große Ganze einer handfesten Sinnkrise. In Verbindung mit einem ausgeklügelten Anspielungshorizont bekannter Kinowerke wird daraus ein durchaus intelligenter, stets verschmitzter und insgesamt saukomischer Blick in die Kultur einer, zumindest aus Sicht der Eltern, hoffnungslosen Generation. Der Erfolg weitete den illustren Tummelplatz New Jersey zum Handlungsort einer in sich verwobenen Chronologie aus, die ihr (buchstäbliches) Ende in der späten, verhältnismäßig dürftigen Fortsetzung „Clerks II“ fand.
Wertung: (9 / 10)