Chasing Amy (USA 1997)

chasingamy„All every woman really wants, be it mother, senator, nun, is some serious deep-dickin‘.” – Banky

Als Spiegel der Popkultur brachte es Kevin Smith zu Weltruhm. Die füllige Independent-Ikone ist ein Multitalent, allein schon was die Vermarktung der von ihm kreierten Kunstfiguren Jay & Silent Bob angeht. Am Anfang des Erfolgs stand ein nicht einmal 30.000 Dollar teurer Schwarz-Weiß-Film, der ihn über Nacht zum Star eines unangepasst frechen Underground-Kinos machte: „Clerks – Die Ladenhüter“. Die Sinnsuche in den Vororten New Jerseys weitete sich fortan zur Trilogie aus. „Mallrats“, Smiths zweiter Film, ließ die Tragikomik zugunsten derben Klamauks fallen. Die Melancholie kehrte erst mit „Chasing Amy“ zurück, seinem ganz persönlichen „Stadtneurotiker“.

Smiths Muse ist Joey Lauren Adams („S.F.W. – So Fucking What“), mit der er zu jener Zeit liiert war. Sie verdreht als flippige Comiczeichnerin Alyssa Jones dem Kollegen Holden McNeil (Ben Affleck, „Jersey Girl“) den Kopf. Sehr zum Leidwesen seines Partners und Freundes Banky Edwards (Jason Lee, „Dogma“), der durch die innige Vertrautheit sowohl die eigene, als auch das erfolgreiche Bildfolgenprojekt „Blountman & Chronic“ – basierend auf jenen bekifften Chaoten Jay & Silent Bob – in Gefahr wähnt. Denn Holden hegt neben dem freundschaftlichen auch ein emotionales Interesse an Alyssa. Die Sache hat nur einen Haken: Sie ist lesbisch.

Mit gewohnt unverhohlenen Dialogen spinnt Autor, Regisseur und Nebendarsteller Smith eine zugleich ungewöhnliche und liebenswerte Romanze. Formal ist die Low Budget-Produktion einmal mehr unvollkommen, was auch auf das Schauspiel der wonnigen Besetzung zutrifft. Das Spiel mit sozialen Klischees und Rollenbildern aber gelang ihm nie besser, was sich allen voran beim Comiczeichner-Kollegen Hooper LaMont (Dwight Ewell, „Jay und Silent Bob schlagen zurück“) zeigt, der seine Homosexualität hinter der Fassade des Black Power-Fanatikers Hooper X verbirgt, damit sein Werk überhaupt Aufmerksamkeit und Anklang erregt.

Das Anspielungspanorama auf das eigene Oeuvre wird abermals mit viel Liebe zum Detail fortgeführt. Die üblichen Aufreißergeschichten über Rick Derris dürfen ebenso wenig fehlen, wie der aus „Clerks“ bekannte Quick Stop. Zudem erweist sich Alyssa Jones als Schwester der in „Mallrats“ zu Forschungszwecken dauerbegatteten Sexbuchautorin Trisha. Daneben gibt es einmal mehr Anspielungen auf „Star Wars“ und „Der weiße Hai“, wobei letztgenanntem durch den Vernarbungswettbewerb zwischen Adams und Lee gewohnt freche Ehre erwiesen wird.

Während Affleck für den emotionalen Part zuständig ist, besorgt Lee die geschliffenen Zoten. Die Nebenrollen bekleiden bekannte Weggefährten des Regisseurs: Produktionspartner Scott Mosier pöbelt in Begleitung von Afflecks Bruder Casey („Gone Baby Gone“) gleich zu Beginn auf der Comic-Convention, Matt Damon („Dogma“) hat neben „Clerks“-Akteur Brian O´Halloran einen winzigen Auftritt als TV-Produzent und am Schlusspunkt darf auch Jason Lees „My Name is Earl“-Serienpartner Ethan Suplee nicht fehlen. Dem Comic-Kontext entsprechend kommen auch Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Smith selbst) zu Ehren – eines gerade einmal acht Minuten langen Gastspiels.

Dies aber nutzt der sonst so stumme Bob für einen Ausbruch aus der angestammten Lethargie und tischt dem an Liebeskummer darbenden Holden eine Liebesgeschichte auf, aus der auch der Titel des Films hervorgeht. Bis zum zwar versöhnlichen, doch angenehm melancholischen Ausklang bleibt die Geschichte frei von Kitsch und widmet sich dem bittersüßen Liebesleid von einer Seite, die Absurdität und Glaubhaftigkeit beiderseits vereint. Humor und Dramatik standen in New Jersey nie mitreißender nebeneinander. Lässt man „Clerks“ ob seines Sonderstatus´ außer acht, ist „Chasing Amy“ Smiths bester Film. Mit Abstand.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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