„Das Ziel muss sein, den Riesen zu besiegen…“ – ‘Der Riese‘
Das Wesentliche vorweg: Für jemanden unter Zeitdruck gibt sich PLEIL ziemlich entschleunigt. Vielleicht führt der Titel seines zweiten Langspielers „Keine Zeit“ aber auch einfach aufs Glatteis. An heißen Sommertagen sicher nicht die schlechteste Aussicht.
Im Vergleich zum Vorgänger, „Die Spur des Kalenders“ (2020), hat sich der Sound des Alleinunterhalters verändert. Durchaus einschneidend. Als Referenz kann die Vorab-Single „Depressive Komödianten“ herangezogen werden (oder auch eine Nummer wie „Zimmer frei!“), die mit entspannter Gitarre, Drumloop und poppigem Flair fast als Antithese zum gedeckten, oft schwermütigen Tenor des Erstlings verstanden werden darf.
Überhaupt scheint die absolute Soundreduktion passé. Die andere Auskopplung, zugleich der Titeltrack, scheint zunächst an „Die Spur des Kalenders“ anzuknüpfen. Doch auch dann wird es wieder verhalten poppig. Und am Ende kommt noch eine Orgel zum Einsatz. Ist es eine neu entdeckte Leichtigkeit? Eigentlich egal. Denn die veränderte Perspektive, die nicht allein bei „Schön dich zu sehen“ den Folk streift, steht dem Stromgitarren-Singer/Songwriter aus dem Rhein-Main-Gebiet äußerst gut.
Damit einher geht ein Mehr an Abwechslung. Seien es die verzerrten Computereffekte bei „Sohn des Zeus“, der wabernd heruntergeregelte Gesang bei „Der letzte Mensch“ oder die knarzige Gitarre bei „Hundkatzemaus“; das Songdutzend bleibt immer in Bewegung und mehr noch gewillt, das Überraschungspotential größtmöglich auszuschöpfen. Dass trotzdem nicht auf die melancholischen Akzente verzichtet werden muss, zeigen u. a. der Opener „Aus dem Off“ oder der Rausschmeißer „Das Offensivmoment“. Damit bleibt sich PLEIL treu. Und nicht. Wer keine Zeit hat, blickt eben ungern über die eigene Schulter.
Wertung: (8 / 10)