Ein Remake ist keine leichte Aufgabe für einen Regisseur. Vor allem nicht, wenn ein Klassiker von den Ausmaßen des fantastischen Affenfilms von 1933 wiederbelebt werden soll. Fest haben sich in den letzten 70 Jahren Bilder, Textzeilen und Szenen in den Köpfen der Bewunderer so festgesetzt, dass auf sie in einer Neuverfilmung nicht zu verzichten ist. Andererseits muss der Regisseur aber auch neue Akzente setzen – denn warum sonst neu verfilmen?! Wenn einem Mann jedoch die Meisterung dieser Aufgabe zugetraut werden kann, dann wohl Impressario Peter Jackson. Schon bei seiner „Herr der Ringe“-Trilogie schaffte er den Brückenschlag zwischen Werktreue und eigener Interpretation des millionenfach angebeteten Stoffs. Und mit einem der höchsten Budgets der Filmgeschichte im Rücken und der preisgekrönten Effektschmiede WETA bei der Hand, waren die Grundvoraussetzungen für eine Neuauflage des epischen Stoffs von „King Kong“ äußerst positiv. Und, um es Kurz zu machen, Peter Jackson enttäuscht uns nicht.
Die USA stecken mitten in der Großen Depression. Die Schlangen vor den Suppenküchen in New York werden lang und länger, täglich verlieren Menschen ihre Arbeit. So auch die Schauspielerin Ann Darrow (Naomi Watts, „Ring“), die mit dem gesamten Ensemble ihres Theaters ohne Lohn auf die Straße gesetzt wird. Gleichzeitig steht der Regisseur Carl Denham (Jack Black, „High Fidelity“) vor einem Problem. Sein Studio will ihm die Mittel sperren, doch er will unbedingt seinen Abenteuerfilm auf einer bislang unbekannten Insel zu Ende drehen. Um seinen Geldgebern zu entkommen, schafft er Material, Darsteller und den Autor Jack Discroll (Adrien Brody, „Der Pianist“) auf das Schiff von Kapitän Englehorn (Thomas Kretschmann, „Stalingrad“) und will möglichst schnell ablegen. Doch es fehlt noch die weibliche Hauptdarstellerin. Da ist es ein glücklicher Zufall, dass Denham Ann Darrow über den Weg läuft. Eine kurze Überzeugung später ist sie mit auf dem Schiff, das Richtung Sumatra ausläuft.
Auf der Insel angekommen, bietet sich der Filmcrew jedoch ein unerwartetes Bild. Eingeborene haben sich hinter einer großen Mauer eingeigelt, die sie vor dem acht Meter großen Affen Kong (Andy Serkis, „Der Herr der Ringe“) schützen soll. Um diesen Abgott zu besänftigen, entführen die Eingeborenen Ann und bringen sie Kong als Braut dar. Doch anstatt die weiße Frau zu töten, beschützt Kong sie gegen die multiplen Gefahren der Insel und verliebt sich sogar in sie. Ein Rettungstrupp der Filmcrew und der Schiffsbesatzung unter Jack schafft es aber nicht nur, Ann zurück zu holen, sondern auch Kong lebendig zu fangen. Als er schließlich von Denham in New York in einer Broadwayshow ausgestellt wird, ist eine Tragödie nicht mehr abzuwenden. Denn Ketten werden diesen Affen bekanntermaßen nicht halten – auch starke Ketten nicht.
Das ist eine Menge Handlung, die Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack 1933 in knapp 100 Minuten pressten. Deshalb nimmt sich Peter Jackson 2005 auch gleich doppelt so viel Zeit. Über drei Stunden läuft seine Liebeserklärung an den Klassiker über die Leinwände des 21. Jahrhunderts. Dabei zeichnet sie sich durch eine Vielzahl von Verbeugungen an das große Vorbild aus. Anders als im deutlich daneben gegangen Versuch einer Wiederbelebung von 1976 von Dino De Laurentiis und John Guillermin scheut Jackson sich nicht, ganze Textzeilen zu übernehmen – nicht nur den legendären letzten Satz. Auch der Monsterpark auf Skull-Island wird sehr vollständig wiedergegeben – und entsprechend nach Jackson’schen Kriterien erweitert. Eine wahre Fülle von kreuchendem und fleuchendem Getier bevölkert diesen Flecken Erde am Ende der Welt – und von Kong mal abgesehen, sind sie in den seltensten Fällen irgend einem Zweibeiner gegenüber freundlich gesinnt.
Doch auch die Unterschiede sind nicht von der Hand zu weisen. Die Eingeborenen, anno 1933 noch fröhlich-naive Inselbewohner, die in erster Linie leben, um Kong zu dienen, sind in einem Film des Regisseurs von „Braindead“ natürlich so nicht akzeptabel. Beim ersten Kontakt mit der Filmcrew, dezimieren diese im wahrsten Sinne des Wortes wilden erstmal die Anzahl der Mitreisenden – und lassen sich nur durch nackte Gewalt zurück drängen. Die possierlichen Kostüme aus dem Original finden ihre Verwendung nur noch – wie könnte es anders sein – in einer Broadwayshow. Der größte Unterschied besteht aber in der Beziehung zwischen Ann und Kong. Beschränkte Fay Wray sich 1933 noch aufs panische Schreien in Gegenwart des großen Affen, so ist die Zuneigung zwischen einer traumhaften Naomi Watts und dem neuen Kong beidseitig. Sicher, auch diese Ann schreit sich stellenweise die Seele aus dem Leib, doch Kong 2005 ist nicht nur archaischer Herrscher, der Schrecken verbreitet, sondern eben auch fürsorglicher Beschützer. Und konnte nicht mal Jessica Lange 1976, trotz aller sanfter Zuneigung, die sich schon in dieser Fassung abzeichnete, der Versuchung widerstehen, an der öffentlichen Zurschaustellung von Kong in New York teil zu haben, so ist Naomi Watts nicht mal in der Nähe der Bühne zu finden.
Die Beziehung der Beiden steht zweifelsohne im Mittelpunkt der Neuverfilmung. Die Wandlung von der Geisel zur Geliebten und vom Peiniger über den Beschützer zum verletzlichen Monster, das selbst Schutz bedarf, war in keinem der anderen Filme deutlicher herausgestellt. Dafür wird auch die meiste Zeit des Films aufgewendet. Denn Jackson wäre nicht Jackson, würde es nicht auch hier intensiv zur Sache gehen. Einer der Höhepunkte des Films ist sicherlich der legendäre Kampf Gorilla gegen T-Rex, nur das Kong 2005 es nicht nur mit einem, sondern gleich mit drei der Biester aufzunehmen hat. Und wie Watts dabei diese Wandlung vom Opfer zum Beschützer verkörpert, ist einfach nur fantastisch. Überhaupt hatte Jackson bei der Besetzung ein glückliches Händchen. Neben der großartigen Naomi Watts, die Fay Wray wirklich frappierend ähnlich sieht, sticht vor allem ein fantastischer Adrien Brody hervor. Auf der Hinreise noch gefangen im Korsett seines eigenen Selbstvertrauens, herrlich symbolisiert durch einen Raubtierkäfig, durchläuft er auf Skull-Island einen Initiationsritus nach dem anderen, um schließlich in New York zum eigentlichen Helden, neben dem Affen natürlich, aufzusteigen. Und auch Jack Black haucht seinem Carl Denham ungeahntes Leben ein. Vom draufgängerischen Großtierfilmer, den Robert Armstrong noch im Original verkörperte, ist nicht mehr viel übrig. Denham ist heute ein Besessener, der auf der Jagd nach Bildern alles, sogar den Tod von Mitarbeitern in Kauf nimmt. Jack Black ist für diesen Part wie geschaffen – sicherlich die beste darstellerische Leistung seiner bisherigen Karriere.
„King Kong“ ist das perfekte Remake. Denn Jackson, offensichtlicher Liebhaber des Originals, verbeugt sich tief vor dem großen Vorbild und flicht gleichzeitig neue, aber niemals unpassende Aspekte ein. Zwar ist alles größer – geradezu gigantisch, trotzdem wird die Szenerie nicht steril. Gerade an Kong wird das deutlich. Die Zusammenarbeit zwischen Jackson und Kong-Darsteller Andy Serkis, die schon im „Herr der Ringe“ einen fantastischen Gollum zur Folge hatte, sorgt dafür, dass Kong eben nicht nur ein großer Affe bleibt, wie 1976, sondern zum Charakter aufsteigt. „King Kong“ ist ein fulminanter Abenteuerfilm mit einem großen Stück Romantik. Und trotz 187 Minuten wird er nicht langweilig. Zu liebevoll ist er angelegt, zu schön die Verweise auf das überlebensgroße Original. Alles in allem ein fantastisches Stück Film. Vergleiche mit dem Original verbieten sich natürlich, nur so viel: „King Kong“ 2005 ist der richtige King Kong für das 21. Jahrhundert – wie der alte es fürs 20. war. Und ein größeres Kompliment kann man Peter Jackson wohl nicht machen.
Wertung: (9 / 10)