Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte (USA 2009)

kapitalismus-eine-liebesgeschichteUnumstritten ist Oscar-Gewinner Michael Moore („Bowling for Columbine“) längst nicht mehr. In der jüngeren Vergangenheit geriet der fettleibige Doku-Filmer ob seiner Methoden immer wieder in die Kritik. Für Polemisierung und Emotionalisierung greift Moore immer wieder auf fingierte Tatsachenbehauptungen zurück und inszeniert Schlüsselszenen nach Hollywood-Manier so publikumswirksam wie irgend möglich. Zweifel sind also angebracht, schließlich ist der leidenschaftliche Polit-Aktivist in seinen Mechanismen auch nicht weniger berechnend als die von ihm fortwährend verdammten ideologischen Opponenten.

In „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“ sind es die gierigen Banker, die durch verschleppte Kredite im Eigenheimsektor eine Entwicklung in Gang brachten, die der Weltwirtschaft großen Schaden brachte – und deren Auswirkungen noch immer spürbar sind. Bei aller berechtigten Kritik am Filmemacher Moore und seinen streitbaren Techniken besitzen seine aus Selbstinszenierungen, Archivmaterial und Fernsehspots unterhaltsam gezimmerten Statements aber noch immer immense Wucht. Sie schockieren und rütteln auf, zwischen linker Propaganda und augenzwinkernder Diffamierung.

Moore kehrt zurück zu seinen Wurzeln, jener Wut, der er 1989 in seinem Debüt „Roger & Me“ Ausdruck verlieh. Damals richtete sie sich gegen die rigiden korporativen Rationalisierungsmaßnahmen, die seiner Heimatstadt Flint im Bundesstaat Michigan den Lebensnerv kappten. Bis zur Solidarisierung mit der Arbeiterschaft eines von der Schließung bedrohten Betriebs widmet er sich von Zwangsräumung gebeutelten Einzelschicksalen, zeichnet den Verlauf der Finanzkrise nach und nimmt sie zum Anlass, gleich die gesamte kapitalistische Weltordnung unter Feuer zu nehmen.

Ein Ziel dieser Größe kann Moore unmöglich verfehlen. Zwar mangelt es seinem nunmehr siebten Dokumentarfilm an struktureller Geschlossenheit, wenn in großer Eile Witwen geschüttelt und Schuldige aufgescheucht werden. Die Entlarvung konspirativer Verstrickungen aus Bankenkreisen bis ins US-Finanzministerium oder die perfide Bereicherung einiger Konzerne am Tod ihrer Angestellten sind aber moralische und ethische Verfehlungen, deren Summe ein korruptes System immerhin für die Dauer eines Kinobesuchs ins Wanken bringen. So mag Moore an Kraft verloren haben. Die aufklärerische Wirkung, und sei sie noch so populistisch, bleibt jedoch von unangefochtener Wichtigkeit.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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