Der amtierende US-Präsident George W. Bush muss weg! Diese klar fokussierte Ausrichtung kosmopolitisch interessierter wie engagierter Individuen teilen weltweit nicht erst seit dem erneuten Auflodern des verheerenden Krieges im Irak Millionen von Menschen. Einer der namhaftesten Wortführer dieser ideologischen Gruppierung im Geiste ist der umstrittene amerikanische Erfolgsautor und Dokumentarfilmer Michael Moore. Mit der Veröffentlichung des internationalen Bestsellers „Stupid White Man“ eröffnete das kontroverse Schwergewicht bereits unmittelbar nach Bushs Amtseintritt seinen ganz persönlichen Kampf gegen den mächtigsten Mann der Welt.
Die Dankesrede zum Gewinn des Oscars für „Bowling for Columbine“, Moores meisterlichem Abgesang auf amerikanisches Waffenbrauchtum, verwandelte der angefeindete Filmemacher kurzerhand in ein Forum vorgebrachter Antipathie. So folgte dem vornehmlich müde belächelten Funken belesenen Widerstandes und inbrünstigen „Shame on you, Mr. Bush“-Tiraden ein lodernder Flächenbrand politischen Gegenwindes.Deklarierte Zielsetzung dieses schieren Sturmlaufs gegen instrumentalisierte Willkür der amerikanischen Regierung bildet die anvisierte Abwahl Bushs durch breit gefächerte Aufklärungsarbeit und investigatives Durchleuchten der mitunter dubiosen Machenschaften und Verstrickungen des fabulanten Präsidenten.
Mit „Fahrenheit 9/11“ legt Michael Moore nun das ambitionierte Kernstück seiner beflissenen Entmachtungsstrategie vor und manifestiert in erneut unnachahmlicher Weise seine Überzeugungen auf der Leinwand. Dabei sah es anfangs nach einem vorzeitigen Sieg für die Obrigkeit aus, verweigerte Disney dem Tochterunternehmen Miramax doch aus Furcht, staatliche Finanzquellen versiegen zu sehen, die Veröffentlichung des Filmes in den USA. Bei den Filmfestspielen von Cannnes rückte eben dieser Umstand in Gestalt eines hartnäckigen Gerüchts Michael Moore unverzüglich in den Mittelpunkt der journalistischen Aufmerksamkeit. Wohlgemerkt ungeachtet der Tatsache, dass die Miramax-Chefetage um Bob und Harvey Weinstein die Rechte an „Fahrenheit 9/11“ längst vom Mutterkonzern zurückerworben hatte.
Dieser clever fingierte Skandal um Zensur und die Einschränkung der freien Meinungsäußerung bescherte Moore nicht nur ungeteilte Zuwendung, sondern gestattete darüber hinaus die Transferierung der Resonanzen von Publikum und Presse auf eine erhöhte Taxe der zu diesem Zeitpunkt nicht veräußerten Verleihrechte. Der darauf folgende Gewinn der Goldenen Palme ließ „Fahrenheit 9/11“ endgültig zum begehrtesten Film des Jahres avancieren und schuf Michael Moore den erhofften Rahmen zur flächendeckenden Verbreitung seines Werkes. Als logische Konsequenz startet das provokante Stück kinematographischer Aufklärungsarbeit auch in deutschen Kinos mit rund 200 Kopien – weit mehr als jeder andere Dokumentarfilm zuvor. Sicherlich kann man Michael Moore in diesem Zusammenhang geschäftliches Kalkül vorwerfen, die Qualität seines neuesten Erzeugnisses beeinflusst diese ausgeklügelte Marketingstrategie jedoch nicht.
Abseits der gallig satirischen Holzhammermethodik früherer Werke begeht Michael Moore „Fahrenheit 9/11“ mit gebotener Ernsthaftigkeit. Der beleibte Filmemacher agiert vorwiegend als narratives Organ aus dem Off, tritt vor der Kamera nur sporadisch in Erscheinung. Im Mittelpunkt stehen vielmehr faktiöse wie desarmierende Argumentationen und evaluative Aufzeigungen reger wirtschaftlicher Interessenformierungen zwischen der Regierung Bush und vermeintlichen Staatsfeinden. Vornehmlich um Sachlichkeit und Kompetenz bemüht, finden satirische Untertöne nur dann Verwendung, wenn George W. Bush durch teils haarsträubende Statements und öffentliche Auftritte ohne weitere Kommentare farciert wird.
In ungeschönten Bildern vollzieht „Fahrenheit 9/11“ im Schlussdrittel den Sprung an den persischen Golf, mitten hinein in Ängste und Agonie, Krieg und Tod. Michael Moore zeigt sich bemüht, auf wesentliche Faktoren einzugehen ohne auszuschweifen, Prägnanz vor dem gewohnten Unterhaltungswert walten zu lassen. Eben dieser Wesenszug ist es, der „Fahrenheit 9/11“ zu einem couragierten Meisterwerk deklariert und seinen Regisseur näher an traditionelle Dokumentarfilme heranführt, als je zuvor. Doch zählen fulminante Einspielergebnisse und die rege Einfuhr internationaler Filmpreise nur dann, wenn im November tatsächlich John Kerry zum neuen Präsidenten der vereinigten Staaten von Amerika ausgerufen wird.
Wertung: (9 / 10)