Holy Shit (D/CH 2023)

„Let’s put the poop back into the loop.”

Für viele Menschen sind die eigenen Fäkalien ein Tabuthema. Als wenn es ein Geheimnis wäre, dass das, was oben in den menschlichen Körper hineingelangt, unten wieder herauskommen muss. Nur eben in weniger appetitlicher Form. Dabei tun wir’s alle: ausscheiden, koten, kacken, scheißen, wursten. Früher schien alles so einfach: Der Mensch brachte die eigenen Exkremente auf die Felder und nutzte sie als natürlichen Dünger. Das förderte das Wachstum der Pflanzen, die mit dem Verzehr in den Körper gelangten und dort… korrekt, zu Kot wurden, der dann wieder landwirtschaftlich eingesetzt wurde. Dieser Nährstoffkreislauf wurde mit der Urbanisierung und dem flächendeckenden Bau von Abwassersystemen durchbrochen. Heute werden Fäkalien als Abfall betrachtet, die mit Trinkwasser in sanitären Einrichtungen heruntergespült werden. Und dann?

In „Holy Shit“ widmet sich Dokumentarfilmer Rubén Abruña („The Absent House“) dieser und vieler anderer Fragen rund um das Thema Ausscheidungen. Von der Ausgangsfrage, wo Kot und Urin eigentlich landen (die Antwort liefert ein Besuch der Pariser Kanalisation), geht es zum Klärsystem nach Chicago, wo das besudelte Wasser bis zur erneuten Trinkfertigkeit von Schadstoffen bereinigt wird. Ein anderer, den modernen Lebensumständen gerechter werdender Kreislauf also. Nur eben einer mit durchaus gravierenden Schattenseiten. Denn in der Kanalisation vermischt sich das Abwasser mit Industrieabfällen, Krankenhaustoxine und anderen Giftstoffen. Die bleiben im finalen Klärschlamm erhalten, der in vielen Regionen (ein exemplarisches Beispiel findet sich in den ruralen USA, genauer in Maine) als Gratisdünger an Landwirte ausgegeben wird. Mit dem unschönen Nebeneffekt der Grundwasser- und Bodenverseuchung.

Die Alternative ist industriell gefertigter Dünger. Für dessen Herstellung braucht es jedoch Phosphat. Dessen weltweite Ressourcen, von denen ca. 70 Prozent in der Westsahara liegen, werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts erschöpft sein. Ein Umdenken in der Düngefrage scheint also unumgänglich – auch aufgrund der immensen Umweltverschmutzung beim Abbau von Phosphatgestein. Also reist Abruña mit einem selbstgebastelten, an diesem oder jenem Fahrzeug befestigten Kackhaufen mit zwei Augen und Heiligenschein um die Welt. Dabei spricht er mit Experten, Wissenschaftlern und vor allem Menschen, die alternative Klärmethoden im Einsatz zeigen. Das Spektrum reicht von rudimentären Trockentoiletten in den Slums von Ugandas Hauptstadt Kampala bis zu einem Vorzeigebauprojekt in Hamburg.

Der Unterhaltungswert der sinnstiftenden und insbesondere zum Nachdenken anregenden Reise wird durch Christoph Maria Herbst („Stromberg“) untermauert, der dem Autor und Regisseur in der deutschen Fassung die Stimme leiht. Der von Abruña aufgezeigte, in Teilen deutlich von den Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Moderne abweichende Idealismus leistet fraglos einen Beitrag zum Umweltschutz. Neben wissenschaftlich fundierten Belegen der Vorteile, die gerade in Industrienationen unabdingbar für eine breite Akzeptanz sind, stehen aber auch diesmal Industrie-Lobby und politische Hürden in der Quere. Der Weg, menschliche Exkremente nicht länger als Abfall zu betrachten, sondern als wesentliche Ressource, ist also (noch) ein denkbar langer. Wer bereit ist, diesen mitzugehen oder sich weiter ins Thema von „Holy Shit“ einlesen möchte, findet hier entsprechende Informationen.  

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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