Joey Cape – A Good Year to Forget (2021, Fat Wreck)

Joey Cape bringt es mit dem Titel seines neuen Albums auf den Punkt: „A Good Year to Forget“. Gemeint ist 2020, das (erste) Corona-Jahr, in dem der kulturelle Sektor in künstliches Koma versetzt wurde. Keine Veranstaltungen, keine Bühnenpräsenzen. Und wenn, dann nur sporadisch. Oder im Stream. Doch nicht nur das: Auch emotional bot die Ära von Lockdowns & Co. einige Herausforderungen. Für Cape, der im vergangenen Jahr selbst schwer an COVID-19 erkrankte, umso mehr: Nach dem Scheitern seiner Ehe zog er auf Einladung seiner Mutter vorübergehend zurück in seinen Elternhaus (eine direkte Reminiszenz findet sich im Stück „Come Home“).

Ein eher ungewöhnlicher Schritt für einen Mann jenseits der 50. Für die Arbeit am neuen Solo-Werk des LAGWAGON-Sängers erwies sich das aber als durchaus vorteilhaft. Denn Cape richtete in seinem räumlich herausfordernden Übergangsheim eine improvisierte Aufnahmemöglichkeit ein und widmete sich intensiv der Arbeit an neuen Songs. Ursprünglich war „A Good Year to Forget“ als instrumental reduzierte Folk-Platte angelegt. Doch insbesondere die Ansteckung mit Corona veranlasste Cape dazu, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen und andere Einflüsse und Klangfarben zuzulassen – solche wie Hawaii-Gitarre oder Mandoline. Der vornehmlich bedeckte Tenor der Platte wird damit punktiert entzerrt.

Dennoch ist „A Good Year to Forget“ ein stark melancholisch geprägtes Musikwerk. Gegenüber dem Vorgänger „Let Me Know When You Give Up“ (2019) erscheint vor allem die Dynamik gedrosselt. Trotz Band-Anmutung durch Bass- und Drum-Ergänzung gewinnt der Grundgedanke minimalistischer Singer/Songwriter-Ertüchtigung immer wieder die Oberhand. Atmosphärisch bleibt die Platte schwermütig, was Anspieltipps wie „Nickel and Lead“, „Check Your Ego At the Door“, „We Might Be Wrong“, „Saturday Night Fever“ oder „Under the Doormat“ in ihrer Wirkweise aber keineswegs minimiert. So kann man vielleicht das vergangene Jahr getrost vergessen, diese Platte aber definitiv nicht.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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