NOFX / Frank Turner – West Coast vs. Wessex (2020, Fat Wreck)

Die Vorberichterstattung

Punk-Cover bereiten zweifelsfrei Spaß. Doch für gewöhnlich folgen sie einem wiederkehrenden Muster, nach dem das Original in die Drei-Akkorde-Vollgas-Ideologie des Genres übersetzt wird. Das Bestreben, die kreative Vorlage durch eigene Impulse anzureichern, ist eher selten. Umso erfreulicher mutet dahingehend die Split-Kollaboration von NOFX und Frank Turner an. Denn der Punk-Klassiker aus den USA und der Liedermacher aus England covern nicht bloß je fünf (allesamt ältere) Stücke des jeweiligen Gegenübers, sondern interpretieren diese teils bemerkenswert eigensinnig.

Halbzeit eins: Match-Eröffnung mit Wucht und Ideen

Den Auftakt markieren NOFX, die mit „Substitute“ stimmungsvoll verhalten einsteigen, ehe der typisch melodische Punk das Zepter schwingt. Das folgende „Worse Things Happen at Sea“ beginnt ebenfalls zurückhaltend und fängt den düsteren Charakter des Stücks überzeugend ein, verliert sich nach hinten raus aber in polternder Routine. Deutlich bleibendere Eindrücke schafft da schon „Thatcher Fucked the Kids“, das mit Ska-Rhythmen, Trompete und Orgel punktet. Neben der bewährten weiblichen Stimmveredlung durch Karina Denike (Ex-DANCEHALL CRASHERS) imitiert El Hefe bei seinem Gesangspart durchaus gelungen den britischen Akzent Turners.

„Ballad of Me“ bedient zunächst wieder den treibenden Punk-Rock, hält für hymnische Chöre und melodische Veredlung aber zwischenzeitig inne. Den großartigen Abschluss bildet das – ganz nach Fat Mikes Geschmack – Atheismus predigende „Glory Halleluja“, das mit Vokalanteilen von Mike, Denike und Hefe sowie erneutem Orgeleinschlag zum packenden Punk-Gospel auswächst – und Turners verhältnismäßig wuchtiges Original damit in seiner Tonalität angenehm reduziert.

Halbzeit zwei: Erwarte das Unerwartete

Der Brite nimmt sich, unterstützt durch seine angestammte Begleitband THE SLEEPING SOULS, zum Start seines Blocks „Scavenger Hunt“ vor und belegt bereits durch die sanftere und zugleich wandlungsfähigere Stimme, dass simple Cover mit ihm nicht zu bewerkstelligen sind. In Sachen Tempo und Punk-Anlehnung bleibt sein Opener jedoch die Ausnahme. Vorrangig wird der rotzige NOFX-Sound zwischen Rock und Folk gebändigt, was bei „Bob“ zu einer semi-akustischen Ballade führt, die dem Klassiker völlig neue Möglichkeiten eröffnet – Harmonika-Intermission und Gänsehaut inkludiert.

Mit dem zart gen Trip-Hop driftenden, von Drumming und Basslauf dominierten „Eat the Meek“ belegt Turner, mit wie viel experimenteller Leidenschaft er sich der auf dem Cover als Clash zwischen „Champion“ (NOFX) und „Challenger“ (Turner) hochstilisierten Gegenüberstellung verschrieben hat. „Perfect Government“ beschert er der Vorlage darauf eine sympathisch lässige Note (samt famosem Barbershop-Moment), ehe er mit „Falling in Love“ einen Schlusspunkt setzt, der den geschwinden Punk in ein Korsett rauchig-depressiven Minimalismus mit Nick-Cave-Charakter kleidet.

Das Endergebnis: Knapper Sieger in einem Duell auf Augenhöhe

Es bleibt deutlich erkennbar, warum Fat Mike ausgerechnet Turner einlud, eine Cover-Split mit NOFX zu realisieren. Denn der Singer/Songwriter pflegt nicht allein einen deutlich divergierenden Stil, sondern bringt überdies genug Einfallsreichtum mit, um Mike größtmöglich zu fordern. Wozu das führen kann, bewiesen NOFX bereits mit ihrer brillanten „Radio“-Interpretation auf der gemeinsamen Veröffentlichung mit RANCID. Doch obwohl die Kult-Truppe aus Kalifornien große Momente bietet und seine Beiträge hochklassig umformuliert, hat Turner ob der teils drastischen, jedoch stets funktionalen Veränderung der Stücke schlussendlich die Nase vorn. Klarer Gewinner ist aber vor allem eine: die Zuhörerschaft der momentweisen Kontrahenten.    

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

scroll to top