Interview mit Itchy Poopzkid (März 2011)

Glückwunsch zum neuen Album, in Punkto Abwechslung sicherlich das bislang Beste von euch. Wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?

PANZER: Dankeschön erstmal! Wir waren ehrlich gesagt noch nie so glücklich mit einer Platte und das obwohl man ja eigentlich immer total stolz drauf ist, wenn man was neues produziert hat.

Wir haben extrem lange Songs dafür geschrieben und am Ende aus 30 fertigen Demos ausgewählt. Ich find‘s gut, dass wir die Verzerrer wieder hochgedreht haben und es trotzdem so vielschichtig geworden ist. So wird’s uns selbst auch nie langweilig.

Statt den Schritt zu einem großen Label zu wagen, seid ihr den vermeintlichen Schritt zurückgegangen und habt Findaway Records gegründet, auf welchem „Lights Out London“ erscheint. Wann kam der Entschluss, es mit einem eigenen Label zu versuchen?

PANZER: Wir haben unser letztes Album ja bereits über den Riesen Universal released und um ehrlich zu sein, war das für uns einfach komplett scheiße bei so einem riesen Major zu sein. Das war unglaublich unpersönlich alles und der Profitgedanke da überschattet halt so ziemlich alles.

Für uns war die Gründung unseres eigenen Labels echt eine Erlösung und jetzt haben wir alles in den eignen Händen und tragen alles selbst. Dass wir jetzt so gut wie noch nie in die Charts eingestiegen sind, freut uns dann natürlich doppelt.

SIBBI: Außerdem haben wir echt ordentlich Kohle reingebuttert, damit es eben kein Rückschritt ist. Im Gegenteil, in Sachen Promotion war dies sicherlich unser größtes Release. Label zahlt… (lacht)

PANZER: Ja, vor allem wenn das Label mit deinem Geldbeutel zahlt.

Zudem arbeitet ihr noch immer mit den Leuten von früher zusammen (bspw. One Louder). Ist ein familiäres und sauberes Umfeld wichtiger als – unter Umständen – richtig großer Erfolg?

SIBBI: Das ist in der Tat auch so eine Sache, die uns jetzt mit dem eigenen Label sehr gut gefällt. Wir können jetzt wirklich in allen Bereichen nur noch mit Leuten zusammenarbeiten, die wir mögen, deren Arbeit wir schätzen und mit denen wir auch abends mal ´nen Schnaps heben würden. Angefangen von Promotern über den Vertrieb bis zum Management und so weiter.

Wie soll es grundsätzlich mit dem Label weitergehen? Ist „Lights Out London“ jetzt eine Art Startschuss, um auch anderen Bands eine Plattform zu bieten, oder belasst ihr es bei eigenen Veröffentlichungen?

SIBBI: Momentan ist das Label auf jeden Fall nur für ITCHY POOPZKID da. Durch die Veröffentlichungen – wir haben nämlich unseren kompletten Back-Katalog, also alle alten Alben von uns ebenfalls neu veröffentlicht – ist auch gar keine Zeit, um sich um andere Bands zu kümmern. In Zukunft können wir uns das aber schon auch vorstellen jemand anderes zu veröffentlichen. Michael Jackson oder so.

Wie sehr seid ihr – angesichts des Labels – zum Erfolg „verdammt“?

PANZER: Man trägt natürlich jetzt selbst das ganze finanzielle Risiko, das stimmt. Trotzdem werden wir nach wie vor einfach immer das machen, was uns am meisten gefällt. Wenn das die Leute mögen, freuen wir uns wenn nicht, dann halt nicht.

Ich habe beim Liederschreiben noch nie über kommerzielle Verwertbarkeit nachgedacht. Wenn man damit anfängt, kann man sich auch gleich an einen Baum hängen. Insgesamt können wir jetzt schon seit fünf Jahren von der Musik leben und das ist einfach das größte für uns. Selbst für alles verantwortlich zu sein, ist für mich eher ein gutes als ein bedrückendes Gefühl.

SIBBI: Komischerweise ist bei diesem Album, bei dem wie gesagt wir das finanzielle Risiko tragen, der Druck am geringsten. Ich glaube das liegt einfach daran, dass nur wir selbst involviert sind. Ein sehr gutes und entspanntes Gefühl jedenfalls.

Vor kurzem hat Saikov das Handtuch geworfen. Wie sehr schmerzt der Verlust nach den vielen gemeinsamen Jahren – und stand es bei den Arbeiten zum Album schon fest?

SIBBI: Nein, das kam für uns Ende letzten Jahres auch ziemlich überraschend, weil wir ja 10 Jahre lang zusammen unseren Weg gegangen sind. Aber im Endeffekt muss man seine Entscheidung, fortan als Studio- und Live-Musiker bei verschiedenen Projekten zu spielen, einfach akzeptieren.

Da so kurz vor der Veröffentlichung, der Tour, den ganzen Festivals dieses Jahr aber so viel anstand für uns, war sehr schnell klar, dass wir nach vorne schauen müssen. Mit Max haben wir den perfekten Mann fürs Schlagzeug gefunden. Er ist schon seit Jahren festes Crewmitglied, war die letzten 300 Shows mit dabei, ist ein super Drummer und passt perfekt rein in die Truppe.

Wie schwer war es denn für Max, sich in die Band zu integrieren bzw. die Songs einzustudieren? Und macht sich diese Veränderung aktuell auf Tour irgendwie bemerkbar?

SIBBI: Max hat sich natürlich eine ordentliche Aufgabe ausgesucht, aber da er schlagzeugtechnisch echt ein Knaller ist, hat er keine Probleme unsere Sachen zu spielen und bringt seinen Stil mit rein. Die Tour läuft super bisher und Max macht sich fantastisch.

PANZER: Außerdem zieht er nach dem ersten Song sein T-Shirt aus, was ein gutes Zeichen ist.

Ich hatte das Gefühl, dass die Rezensionen zu „Lights Out London“ diesmal besser waren als zuletzt und man euch mittlerweile etwas anders bzw. ernster wahrnimmt. Empfindet ihr das genauso?

PANZER: Stimmt, das ist mir auch aufgefallen und das freut uns natürlich total, auch wenn Rezensionen für uns noch nie wirklich wichtig waren. Wir machen das ganze jetzt seit 10 Jahren und wer uns da immer noch einzig und allein über den dämlichen Bandnamen definiert, muss uns meiner Meinung nach auch nicht gut finden.

Wir spüren gerade ganz mächtig, dass einfach von allen Seiten mehr Akzeptanz kommt und das ist eine Sache, die mich glücklich macht.

Für mich klingt „Lights Out London“ wie eine bunte Tüte. Von allem ist etwas dabei und ich finde viele Bands kann man irgendwie heraushören, ohne aber wie diese zu klingen. Inwieweit hat sich euer persönlicher Musikgeschmack im Laufe der Zeit etwas verbreitet oder wie ist das Album zu erklären?

SIBBI: Um die ganzen Floskel mal selbst in den Mund zu nehmen, sag ich einfach, wir sind „erwachsener“ und „reifer“ geworden (lacht). Ich hab eigentlich persönlich schon immer sehr sehr vielschichtig Musik gehört. Es kann schon vorkommen, dass ich an einem Tag die BEATLES, dann die COMEDIAN HARMONISTS und später BULLET FOR MY VALENTINE höre. Wahrscheinlich spiegelt sich diese Abwechslung in der Tat in den selbstgeschriebenen Songs wieder.

Mit dem Song „Why Still Bother“ unterstützt ihr die Organisation WDCS (Whale and Dolphin Conservation Society) bzw. deren Kampagne „Sonar Sucks“. Das Thema ist eher ungewöhnlich, weil man davon im Grunde überhaupt nichts hört. Wie sehr seid ihr da jetzt aktuell noch involviert?

SIBBI: Die Zusammenarbeit läuft super. Die Leute von der WDCS sind übrigens auch auf der Tour mit einem Stand dabei. Es haben schon einige hunderttausend Leute das Video angeschaut und sind somit auf die „Sonar Sucks“-Kampagne aufmerksam geworden, was uns natürlich sehr freut.
Auch in Zukunft werden wir noch weitere Aktionen mit der WDCS machen, weil uns das Thema einfach sehr am Herzen liegt, gerade weil eben viele noch gar nicht auf dieses Problem des Unterwasserlärms aufmerksam geworden sind.

Aktuell seid ihr wieder auf Tour. Wie läuft es denn und ist nochmals eine Steigerung zu den Vorjahren zu bemerken? Kommen vor allem die Leute wieder, die mit dem Durchbruch 2008 schon auf der Matte standen oder verändert sich das Publikum von Jahr zu Jahr ein wenig?

SIBBI: Die gerade laufende Tour ist von den Zuschauerzahlen her die beste unserer Karriere, was uns echt tierisch freut und stolz macht. Es sind einige neue Leute dabei und auch viele alte, die wiederkommen. Ach ja, und wir haben das Gefühl, dass die Leute noch besser singen und tanzen können als die Jahre zuvor. Das Training zahlt sich also aus.

Letztes Wochenende war bekanntlich Landtagswahl in Baden-Württemberg, also dem Bundesland, aus dem ihr stammt. Wie empfindet ihr den Wahlausgang und die gesamte Diskussion, die um die Tragödie in Japan entstanden ist?

PANZER: Schlimm ist doch, dass immer erst so etwas passieren muss, bis sich politisch wirklich etwas bewegt. Ich bin einfach froh drüber, dass die CDU endlich weg ist und auch wenn ich die teilweise Hippie-Attitüde der Grünen nicht wirklich mag, ist mir so eine Landesregierung tausend Mal lieber.

Außerdem ist es schön zu sehen, dass es für manche Dinge eben doch irgendwann eine Quittung gibt. Ich hab am Wahlabend jedenfalls viel Genugtuung empfunden.

Judith Holofernes von WIR SIND HELDEN hatte kürzlich die medienpräsente Auseinandersetzung mit der BILD-Zeitung. Auch wenn ich glaube, dass dies für euch kaum ein Thema sein würde, ab wann wäre für euch Schluss sich vor irgendeinen Karren spannen zu lassen?

PANZER: Ich würde einfach sagen, bei allem wo wir nicht dahinter stehen oder was wir nicht gut finden können. Die BILD ist ernsthaft das schlimmste Blatt in Deutschland und ich würde für kein Geld der Welt auch nur ein positives Wort über den Laden verlieren.

Das Jahr ist noch jung, was steht sonst so bei ITCHY POOPZKID auf dem Plan?

SIBBI: Jetzt ist erstmal die Tour am Laufen. Das ist für uns nach einer halbjährigen Live-Pause mindestens so wichtig wie ein Urlaub auf den Malediven. Danach geht’s gleich in die Festivalsaison, die wieder wunderbar werden wird. Dann fahren wir nochmal auf Tour und dann werde ich mal ins Reisebüro schlappen und mir entweder eine Insel in der Südsee kaufen oder ein Wochenende im Bayrischen Wald buchen. Je nachdem, wie das Jahr für uns lief.

Danke für die Beantwortung der Fragen und viel Erfolg für die kommende Zeit!

PANZER: Dankeschön für die guten Fragen! Das war grade erfrischend abwechslungsreich!

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