Itchy – Ja als ob (2020, Findaway Records/Soulfood)

In gewisser Weise ähneln sich die kreativen Evolutionsstufen von ITCHY und den DONOTS. Dass den Zweitgenannten, seit den mittleren Neunzigern aktiven Ibbenbürenern ein nennenswerter Vorbildcharakter attestiert werden muss, darf dabei zunächst ausgespart bleiben. Wie die DONOTS begannen auch ITCHY, damals noch mit dem Namenszusatz POOPZKID versehen, ihren Weg im melodischen Punk. Im Laufe der Jahre, spätestens mit der namentlichen Verknappung, mehrten sich die rockigen Einflüsse mit sanfter Beugung gen Indie.

Der nächste konsequente Schritt konnte, auch hier machten es die befreundeten DONOTS vor, nur bedeuten, die Lyrics fortan in deutscher Sprache zu verfassen. So weit, so absehbar? Glücklicherweise nicht. Denn wo viele Bands auf Stadion-Punk mit Schunkel-Atmosphäre setzen, ziehen ITCHY mit ihrem neuen Album „Ja als ob“ andere Saiten auf. Dabei wirkt mit dem so gefälligen wie selbstreflexiven Opener „Faust“ zunächst alles, wie es zu erwarten wäre: Melodien, Singalongs, Tempo. Und poppige Nuancen. Gerade die sind es jedoch, die fortan den Unterschied machen.

Denn das Trio aus Baden-Württemberg legt im Rahmen der 13 Stücke sämtliche Scheuklappen ab, streift mit dem Titeltrack das Oeuvre von DEICHKIND und erinnert in der Verquickung von Mainstream und Underground daneben nicht selten an KRAFTKLUB. Egal ob hymnisch rockend (siehe „Meine Fresse“, „Wo seid ihr denn alle“ oder das mit stimmlicher Unterstützung von MADSEN-Gitarrist Sebastian intonierte „Ich wollte noch“), reduziert poppig („Gegen den Wind“, „Pflastersteine“) oder gar lässig funkig („Herzlich willkommen“, „Auf dem Gewissen“). Dass es bei aller (textlichen) Leichtfüßigkeit nicht an Aussagekraft mangelt, verdeutlichen u. a. „Nicht weg“ und „Beyoncé & und Jay-Z“, in dem augenzwinkernd auf die wirklich erschreckenden Meldungen unserer Zeit verwiesen wird.

Damit wird „Ja als ob“ zum bisherigen Meisterstück einer Band, der es bei aller grundlegenden Sympathie (und Qualität) in der Vergangenheit nicht durchweg gelang, aus dem Schatten ihrer Vorbilder herauszutreten. Der umfasste bislang übrigens auch die eingangs bemühten DONOTS. Mit der auf diesem endgültig emanzipatorischen Werk transportierten, kommende Festival-Saisons zweifelsfrei bereichernden Begeisterungsfähigkeit war in dieser Form jedoch nicht zu rechnen. Umso erfreulicher mutet der Genres verbindende Wandel an, der Brücken zwischen verschiedenen Zielgruppen schlägt und obendrein auch noch Haltung beweist. In politisch aufgewühlten Zeiten wie den gegenwärtigen kann es daran, zweckfremde Diskussionen über Kommerzialisierung hin oder her, eigentlich nichts auszusetzen zu geben.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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