Evan Freyer – Mistakes Included (2008, DIY)

Der gleichnamige Titelsong von „Mistakes Included“ schießt binnen Sekunden Bilder von klarer Luft, blauem Himmel und purer Wildnis in den Kopf. Als hätte Evan Freyer ein Geistesblitz getroffen, vom Schreibtisch weggezerrt und nach draußen getrieben, um der Welt von seiner neu gewonnenen Selbsterkenntnis zu erzählen. Der zweite Track „Sunny Day In a Winter‘s Breath“ darf bedenkenlos übersprungen werden. Selbst wenn Evan an dieser Stelle versucht, Optimismus zu verbreiten, zerren die überwiegend einfallslosen Textreime eher an den Nerven, als dass sie Freude bereiten. Einzig die Zeile „In a world, where Ashlee Simpson can be famous / There is nothing you should be ashamed of“ kann dem Hörer doch noch ein mildes Lächeln abringen.

„See The Light“ klingt da schon wesentlich besser. Der eingängige Gute-Laune-Groove macht den vorangegangenen Schlamassel wieder wett, lässt die Füße angeregt mitwippen und redet dem Körper ein, ihm wäre soeben lieblicher Wein eingeflößt worden. Die stark ausgeprägte Basslinie unterstützt dort, wo Evans Stimme von der Geradlinigkeit des Songs abweicht, um auch die hohen Töne zu bezwingen. Was ihm durchaus gelingt, wenngleich sich schnell die Frage aufdrängt, ob das unbedingt nötig ist. Noch besticht die dunkle Klangfarbe. Die Attraktivität liegt in der jugendlichen Tiefe – nicht in einer überhöhten Kehlkopfdosis.

Nummer vier kommt trotz Akustikgitarre ordentlich rockig daher. Evan fackelt nicht lange, geht aus sich heraus, wird frech, aggressiv und fast schon ein bisschen gemein gegenüber Singer/Songwritern, dabei weiß er am besten um die Ironie, selbst einer von ihnen zu sein – inklusive Karohemd und Westerngitarre. Diese Keckheit steht ihm gut, dennoch bleibt er am Ende der brave Kerl, der uns sogar beiläufig verrät, dass er im Sitzen pinkelt. Kurz vor Antritt der zweiten Minute sorgt die spontane Verbindung aus quickem Bass-Part, taktvollem Fingerschnipsen und einem bissigen Aufschrei für unerwartete Abwechslung im viel zu lang betitelten Song („The Best Of the Best Is the One With Something to Say“).

Wenn in der Ballade „Anyway“ kurz die Instrumente aussetzen, hört man für einen winzigen Moment sein Herz schlagen. Der am Ende kräftiger werdende Gitarrensound und die burschikose, aber klare Stimme von Mitsängerin Alexandra Schulz lassen die Gedanken schweifen und treiben einen ins Ungewisse. „Lilly“ macht genau da weiter und versetzt den Rezipienten in leichte Trance. Die im Hintergrund laufenden Piano-Klänge erinnern an das Intro von Vanessa Carltons „A Thousand Miles“. Zwar deutlich langsamer und mit einer Ladung Töne weniger gespielt, lässt das letzte Lied trotzdem ein ähnlich wohliges Gefühl aus.

Fazit: Der Titel des nur zwanzig minütigen Albums ist mehr oder weniger Programm, denn musikalisch betrachtet haben wir hier nichts Besonderes. Im Gegenteil, es überwiegen simple Dur-Akkorde, die einen weder dahinschmelzen lassen noch sonstwie großartig vom Hocker hauen. Aber Evan weiß selbst, dass er die Melodien nicht neu erfunden hat und umso weniger er einen Hehl daraus macht, desto mehr macht er sie zu seinen. Der Wuppertaler gehört anscheinend zu der Sorte Musiker, die vorwiegend dem Drang unterliegt, zu singen. Und wenn der Gesang erst mal herausströmt, ist er nicht mehr aufzuhalten und kann instrumental nur noch seicht untermalt werden.

Wer noch so jung ist und in guten Momenten sogar ein kleines bisschen nach Eddie Vedder klingt, sollte sich darüber aber nicht den Kopf zerbrechen. Was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin darf Mister Freyer weiterhin zu seinen poppigen „Mistakes“ stehen. Das ist allemal besser, als sich nicht auszuprobieren, um erst gar keine zu machen.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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