The 800 (CN 2020)

Covid-19 macht’s möglich: Zum ersten Mal stammt der weltweit erfolgreichste Film des Jahres nicht aus Hollywood. Als eine der Schattenseiten der Pandemie blieben die Kinos in vielen Ländern in 2020 nahezu durchgängig geschlossen. Eine Ausnahme bildete China, wo das Kriegs-Drama „The 800“ (Alternativschreibweise: „The Eight Hundred“) Geschichtsträchtiges bewirkte und mit rund einer halben Milliarde global eingespielter Dollar alle anderen Produktionen hinter sich ließ. Das erscheint umso überraschender, da Regisseur und Co-Autor Guan Hu („The Sacrifice“) eine für das chinesische Nationalbewusstsein bedeutende Episode des Zweiten Sino-Japanischen Krieges nacherzählt: den Kampf um das Sihang-Lagerhaus in Shanghai.  

Es versteht sich von selbst, dass derlei Themen kaum frei von Pathos inszeniert werden. In den einleitenden Texteinblendungen werden daher unmittelbar Heldenmut im Namen der Nation sowie die Kommunistische Partei Chinas gewürdigt. Ohne staatliche Unterstützung ließe sich ein Projekt dieser Größenordnung wohl nur schwerlich stemmen. Die patriotischen Untertöne halten sich – anders als bei der Verfilmung von 1975 (deutscher Titel: „Die längste Brücke“) – über weite Strecken allerdings in Grenzen. Trotzdem stieß die ursprüngliche Fassung beim Staatsapparat auf Ablehnung, so dass die eigentlich für 2019 geplante Premiere kurzfristig platzte und nachträgliche Detail-Änderungen angeordnet wurden. Unabhängig von der national-historischen Tragweite der erzählten Geschichte bietet das mit bombastischem Aufwand realisierte Kriegskapitel aber immer noch eine Fülle schonungsloser Bilder.

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht nicht Volksheld Xie Jinyuan (Du Chun, „Empire of War“), sondern, neben anderen einfachen Soldaten und Deserteuren, der zu den Waffen berufene Bauer Duan Wu (Oho Ou, „The Bravest“). Das in Trümmern liegende Shanghai kündet vom unaufhaltsamen Vorschub der japanischen Invasoren. Der Rückzug der Volksarmee soll im Oktober 1937 von rund 500 Soldaten (der im Titel aufgebrachte Zuwachs diente der Täuschung des Feindes) unter Xies Kommando gestärkt werden. Als strategische Bastion der Gegenwehr wird besagtes, unmittelbar am Suzhou-Fluss gelegenes Lagerhaus bezogen. Die Besonderheit liegt in der am anderen Ufer befindlichen britisch-amerikanischen Konzession, die vom Zugriff der Japaner ausgespart bleibt. Im prunkvollen Gegenentwurf zum von Tod und Zerstörung geprägten Kriegsgebiet werden Chinesen wie internationale Pressevertreter Zeuge des unerbittlichen Gefechtsgeschehens.

Die Hintergründe werden nur grob umrissen, so dass historisch weniger bewanderte Publikumskreise Probleme haben dürften, die Handlung einzuordnen. Dazu zählt auch die Rolle der internationalen Staatengemeinschaft, vor der Japan den Feldzug zu legitimieren versuchte, während China eine Intervention erwirken wollte. Ein Symbol dieser Bemühungen ist das Hissen der von Pfadfinderin Yang Huimin (Tang Yixin, „Journey to the West“) über den Fluss geschafften damaligen Nationalflagge. Dass diese dem heutigen, von der Volksrepublik China als abtrünnig betrachteten Taiwan zugehörig ist, mag erklären, warum sie beim verlustreichen Versuch, ungeachtet japanischen Fliegerbeschusses emporgehalten zu werden (die einzige inszenatorische Parallele zum erwähnten „Die längste Brücke“), nur ausschnittsweise gezeigt wird.

Allerdings ist „The 800“ kein politischer Film, sondern vorrangig Zeugnis des scheinbar aussichtlosen Überlebenskampfs einer zahlenmäßigen Minderheit. Im unübersichtlichen Schlachtgetümmel bleibt wenig Raum für Heldentum. Es geht einzig ums nackte Überleben. Entsprechend dreckig, unvermittelt und blutig wird das Sterben gezeigt. Vor fragwürdigen Tendenzen bleibt das eindringlich bebilderte Kriegs-Epos trotzdem nicht gefeit. Ob Soldaten nun Schlange stehen, um sich als lebende Bombe auf den Feind zu stürzen, oder der anfangs nur widerwillig zum Gewehr greifende Duan Wu zum unerschrockenen Patrioten reift, vor allem das Schlussdrittel geizt nicht mit fadenscheiniger Aufopferungsmoral. Die Nachwehen des per Rückzugsbefehl beendeten Widerstands, respektive die Verhaftung der Überlebenden, um die Konzession vor japanischem Zugriff zu bewahren, bleiben übrigens ausgespart. Es zählt schließlich die übergeordnete Botschaft.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

scroll to top