Ebola Syndrome (HK 1996)

„Ich bringe sie um! Alle!“ – Kai

Herrmann Yau („Gong-Tau“) und Anthony Wong („Hard Boiled“): Ein Duo, das die Herzen der hartgesottenen Filmfraktion höherschlagen lässt. Nach dem CAT-III-Klassiker „The Untold Story“ (1993) taten sich der Regisseur und sein Hauptdarsteller für „Ebola Syndrome“ (Alternativschreibweise: „Ebola Syndrom“) erneut zusammen – und übertrafen ihre erste Kooperation in nahezu allen Belangen. Das bedeutet auch ein stattliches Mehr an Absurdität. Der Schaden einer Klientel, die ihr Unterhaltungsglück in grenzüberschreitenden Werken sucht, soll das wahrlich nicht sein.

Im Hongkong des Jahres 1986 beginnt die Geschichte mit Sex. Und Ehebruch. Dem gehörnten Gatten (Shing Fui-On, „The Killer“) gefällt das gar nicht. Also wird Schwerenöter Kai (Wong) verprügelt, die untreue Gattin mehr noch genötigt, ihn anzupinkeln. Als auch Kastration auf die Agenda gerät, zeigt der vermeintlich wehrlose Kai sein wahres Gesicht: Klapptisch und Geflügelschere werden zu Mordwerkzeugen. Skrupel kennt er keine. Mit dem Leben kommt aus purem Zufall nur Tochter Lily davon. Dabei stimmt Yau bereits mit dem rabiaten Prolog auf pure Asia-Exploitation ein.

Zehn Jahre später: Kai ist nach Johannesburg geflohen, wo er sich als Küchenhilfe in einem chinesischen Restaurant verdingt. Um die Entgrenzung nicht abreißen zu lassen, werden unsanft Frösche zerteilt. Der „Hauptsache es ekelt!“-Maxime folgt später auch die zusammenhanglos eingeworfene Leichenobduktion. Die Parallelen zum italienischen Kino der 1970er bleiben unverkennbar. Im Exil fristet Kai jedoch ein karges Dasein. Restaurantbesitzer Kei (Lo Meng, „Ip Man 2“) und seine Frau (Cheung Lu, „Devil 666“) behandeln ihn wie Dreck. Selbst Prostituierte lassen ihn aufgrund seiner Herkunft abblitzen. Also masturbiert er an der Arbeitsstätte in ein Stück Fleisch, das er nach der Zweckentfremdung gar zurück ins Kühlfach steckt. 

„Ebola Syndrome“ sprüht vor Sexismus und Gewalt. Zwingend ernstzunehmend erscheint das Szenario trotzdem nicht. Dafür ist alles zu übertrieben und zu offensichtlich darauf bedacht, Anstoß zu erregen. Wong ist diesem Konzept mit seiner hemmungslos chargierenden Performance eine konstant tragfähige Säule und beschert dem grausamen Treiben mehr noch eine bisweilen comichafte Färbung. Ungeachtet des hohen Blutzolls geschieht ein erheblicher Teil der Gewalt abseits der Kamera. Seine Grausamkeit bezieht das Gezeigte eher daraus, dass Kai wie besessen auf seine Opfer einschlägt und sie mit Fäusten oder Möbelstücken traktiert.

Der schlichte Plot nimmt Fahrt auf, als Kai während einer Besorgungsfahrt ins Buschland (als Beleg des Tonalitätspotpourris möge die humorige Leopardenbegegnung bei der Pinkelpause dienen) eine sterbende Einheimische vergewaltigt und sich mit dem Ebola-Virus infiziert. Allerdings erweist er sich als immun und überträgt die tödliche Krankheit bei seinen folgenden Bluttaten ungeniert, erst in Johannesburg und später auch zurück in der Heimat Hongkong. Als erzählerische Nebelkerze dient die mittlerweile erwachsene Lily (Wong Tsui-Ling). Sie befindet sich ebenfalls in der Stadt und erkennt Kai bei einem Restaurantbesuch anhand seines beißenden Körpergeruchs wieder. Die Polizei erweist sich allerdings als unwillens, ihrer Anzeige nachzugehen.  

Nach seiner Genesung rächt sich Kai zunächst für die Unterdrückung am Arbeitsplatz, verarbeitet seine Opfer buchstäblich zu Hackfleisch und führt das Restaurant auf eigene Kappe weiter. Nachdem er eine Pandemie in Gang gebracht hat, deren aufgezeigte weitere Verbreitung durch Tröpfchenübertragung an den Hollywood-Blockbuster „Outbreak“ (1995) angelehnt ist, setzt sich Kai ab. Das bringt im Schlussdrittel Polizeiermittlungen in Hongkong in Gang, die das Tempo mindern. Somit muss erst wieder Lily auf den Plan treten und buchstäblich Witterung aufnehmen, um die Geschichte einem angemessen absurden Finale zuzuführen. Unter dem Strich also völlig überdrehtes Extrem-Kino, das erzählerisch flacher als jedes Blatt Papier bleibt, seinen Unterhaltungswert aber gerade daraus destilliert, dass schlicht mit allem gerechnet werden muss.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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