Detlef – Supervision (2020, Bakraufarfita Records/Broken Silence)

Auf die „Kaltakquise“ folgt die „Supervision“. Nicht in der freien Marktwirtschaft, sondern bei DETLEF. Nötig haben die Kölner die methodische Problembewältigung allerdings nicht. Denn das Trio liefert. Immer charmant. Immer auf den Punk(t). Das untermauern auch die in 38 Minuten gereichten 19 Songs der zweiten Platte des SUPERNICHTS-Ablegers mit ansteckender Nonchalance.

„Supervision“, das wird schnell klar, ist über weite Strecken ein Produkt seiner Zeit. Die sozialen, kulturellen und intellektuellen Entbehrungen der Corona-Krise haben auch bei DETLEF Spuren hinterlassen. Und Hass. Wut sowieso. Wo „Kaltakquise“ den alten SUPERNICHTS-Odem verströmte und augenzwinkernde Alltagsbeobachtungen mit bissigen Seitenhieben servierte, pflegt der Nachfolger musikalisch wie textlich überraschend häufig eine angepisste In-die-Fresse-Mentalität. Das Mantra der Stunde: „Würdet ihr bitte euer scheiß Maul halten“.

Das Kleinbürgerliche im Großstädtischen („Tag des guten Lebens“) bekommt dabei ebenso sein Fett weg wie gentrifizierte urbane Ballungsräume („Ich hasse Kopenhagen, obwohl ich noch nie da war“), „Deutsche Männer“, die Konsumkultur („Keine Zeit für Geld“) oder das trendgemäße soziale Gegeneinander („Alle gegen alle“). Das Dagegen spielt auf „Supervision“ eine tragende Rolle. Vom Kuchenessen bis zur Landzerstörung (siehe „Auge um Auge, Schnaps um Schnaps“) ist es eben nur ein kleiner Schritt.

Auf die heiteren Momente muss dennoch nicht verzichtet werden. Für sie stehen exemplarisch „Ich saufe häufiger als du“ und „Wie kann man sich nur nicht für Fußball interessieren?“. Oder das kurze „Übergangsjacke“, das in seiner aggressiven Grundhaltung (und dem barschen Geplärre) aber mehr als Beleg für den gegenwärtigen Gemütszustand der drei Werkschöpfer herhalten könnte. Ein weiteres Indiz liefert Drummer Achim, sonst eher die melancholisch angehauchte Stimme der Vernunft. Doch selbst er nölt und speit, als würden KNOCHENFABRIK gerade „Ameisenstaat“ einspielen. Als Ausnahme bestätigt auf den letzten Metern selbst „Da ist gar nichts“ diese Regel.

Gründe zum Mitgrölen liefert die Scheibe trotzdem (oder besser: gerade deshalb) beidhändig. Denn als Kontrastmittel schälen sich hymnische Chöre, fetzige Refrains und eine weibliche Gaststimme (bei „Ein ganz normaler Freitag“) aus der schnoddrigen Soundanmutung. Zum denkwürdig verkorksten Jahr 2020 passt „Supervision“ jedenfalls wie die Bierbüchse in den Kiosk-Kühlschrank – und dient obendrein als Anleitung, all den aufgestauten Frust fachgerecht über gereckte Fäuste und strapazierte Stimmbänder abzuführen. Bereits dafür ein dickes Dankeschön!

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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