Chefdenker – Asozialdarwinismus (2023, Trillerfisch Records/Cargo Records)

Wenn Darwin geahnt hätte, dass sich am Ende der evolutionären Entwicklungskette die Asis als dominante Spezies entpuppen, CHEFDENKER wären vermutlich schon 1858 gegründet worden. So obliegt es Claus Lüer & Co. erst in der Gegenwart, die theoretische Kunde in heiter musikalischer Manier zu verbreiten. Dabei bietet „Asozialdarwinismus“, Album Nummer sechs, die gewohnte Melange aus 19 Songs. In deren Spektrum werden einmal mehr existenzialistische Fragen verhandelt. Solche wie: „Kann Rock’n’Roll Elektromobilität?“. Die Gesamtspielzeit verbleibt mit 35 Minuten im schlanken Bereich. Das gedehnte Säusel-Intro mit Stimmverstellung („Wir sind zurück“) widerstrebt dieser Aussage. Aber Hauptsache die Band proklamiert die Corona-Pause für beendet.    

Mit „Blues auf A Pt. I“ frönen die Kölner wieder der Liebe zum Hass. Der zum Ausklang gereichte „Pt. II“ ist übrigens keine Fortsetzung. Das haben sich CHEFDENKER vom zeitgenössischen Hollywood-Kino abgeschaut. Wonnig gezetert wird auch mit dem Hauptstadt-Bashing „Kreuzberger Morgen sind lang“; wohlgemerkt ohne Fernunterstützung von Söder und Merz. Deren CDU wird mit „Junge Union“ abgewatscht. Wenn auch ohne größere Dynamik. Das haben SUPERNICHTS anders vorgelebt. Aber es kann nun mal nicht alles Chef sein, was denkt. Konzentrieren wir uns also auf die erhabenen Momente von „Asozialdarwinismus“. Davon gibt es einige, sowohl instrumental als auch textlich. So zeugt das erwähnte „Kann Rock’n’Roll Elektromobilität?“ mit (der Titel verrät es) Rock’n’Roll-Einschlag und verspielter Gitarre beispielhaft von dem, was das Wirken der Ironie-Punks ausmacht.

Dabei dringt rasch ins Ohr, dass die Platte mehr auf Punk (und Tempo) setzt als der Vorgänger „Eigenuran“ (2016). Weniger rockig wird es darüber nicht. Als musikalischer Erfüllungsgehilfe kann „Indierock & AC/DC“ herangezogen werden. Daneben setzt es muntere Einminüter wie „Russischer Anwalt“, „Lückenloser Lebenslauf“ oder „Bier“, das bei allem Tribut an den aufschwemmenden Zaubertrank nicht ohne unterschwellig kritische Töne auskommt. Ein klares Zeichen von erwachsenem Spätwerk? Zur Relativierung tragen bandtypische Hits wie „Brainstorming in der Werbeabteilung“, „Karneval in Köln“, „Der beste Papa der Welt“ oder „Ballett kann jeder“ bei. Und wandlungsreiche Beiträge zwischen Volksmusik („Im weißen Rössel“), ELO-Verbeugung („Ich höre den ganzen Tag Jeff Lynne“) und Stadion-Rock („Ich fand Starwars schon scheiße als es Starwars noch gar nicht gab“). Damit lässt sich zu CHEFDENKER wie gehabt trefflich feiern, saufen und randalieren. Am Ende gewinnen eben die Asis. Darwin wäre stolz gewesen.   

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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