Chefdenker – Römisch vier (2010, Trillerfisch Records/Cargo Records)

Man könnte CHEFDENKER bei der Betitelung ihres 2010er Albums „Römisch vier“ Hintersinn unterstellen. Erstens, da es sich um den vierten Langspieler der Pracht-Punks handelt und zweitens, da ihre Heimatstadt Köln in grauer Vorzeit Randkolonie des römischen Reiches markierte. Aha, möchte man lauthals ausschreien, kann es aber auch einfach sein lassen. Denn Überschrift und Inhalt sind bei Claus Lüer und Spießgesellen selten mit üppiger Deckungsgleichheit versehen. Aber als Plattenrezensent obliegt einem eine Deutungshoheit, die in der Eigenwahrnehmung zwar unabdingbar, im Grunde aber selten sinnstiftend erscheint. Da kann man ja gleich zu Architektur tanzen. Oder zu CHEFDENKER, die der lustvollen Vielseitigkeit von „Coverbands ist die Zukunft“ ein Mehr (oder Meer?) punkiger Kracher hinterherschickte.

Ergo gibt es über 19 Songs mit Schmackes und asozial ironischer Texterhabenheit Bier eingeschenkt und die Fresse poliert. Die heitere Hasskappe wird zum Start („Taxi fahren!“) dem Kölschen Personennahverkehrspublikum aufgesetzt. Dabei verrät bereits der Paarreim von „Apfelbaum“ und „Mutterfickerabschaum“, dass Lüer einmal mehr alle Register zieht. Das führt über weite Strecken zu einer Hitdichte, die zum Staunen einlädt. Mit Wumms, Wonne und (sorry!) wariablem Tempo führen „Schlau in die Krise rein, schlau wieder raus“, „Hitlers Autobahn“, „Warteschleife“ (mit WIZO-Frontmann Axel Kurth als Gaststimme), „Atlantis“, „Günther Netzer“, „Buenos Dias Messias“, „Agentur für Arschvoll“, „Ahmedabad“, „Polonäse Hüftprothese“ oder „Der Optimismus der 50er Jahre“ auf direktem Wege Richtung Verzückung.

Natürlich muss auf ausgeprägt rockige Passagen auch diesmal nicht verzichtet werden. „Sodom & Gomorrha“ geht bereits als Kunstform für sich durch, was „Stalker“ im vergleichsweise schwächelnden Schlussdrittel aber durch die Fusion aus Nachstell-Bericht und SCORPIONS-Hommage noch übertrifft. Dazwischen wird es auch mal leise(r) oder im Sinne des rollenden Rocks beschwingt (siehe das erwähnte „Polonäse Hüftprothese“). Das in Sachen Schlichtheit Maßstäbe setzende Artwork kommt mit diversen QR-Codes, die leider auf YouTube-Videos mit „Privat“-Schranke verweisen. Aber das kommt davon, wenn eine großartige Scheibe wie diese erst drei mal „Römisch vier“ Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung mit einer Besprechung bedacht wird. Bei der Bewältigung des darüber entstehenden Frustpotentials hilft dann aber sicher der kompetente „Hopfenfachmann“ (etabliert in „Agentur für Arschvoll“). Mit CHEFDENKER wird am Ende doch immer alles gut!     

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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