Chefdenker – Eigenuran (2016, Trillerfisch Records/Cargo Records)

Wenn das Labor des Herrn Professor nach Urin riecht, können CHEFDENKER nicht weit sein. Vor allem nicht bei einem Albumtitel wie „Eigenuran“. Dass die Vinyl-Version ihres fünften Langspielers zum 20. Bandjubiläum als „Glow in the Dark“-Pressung aufgelegt wurde, passt ins Gesamtbild wie die Pisslache auf den Experimentierstubenfußboden. Doch die Scheibe bietet weit mehr: Die wiederholte Nennung des Losungswortes „Dosenbier“ in den Texten der (natürlich) 19 Stücke. Oder der übergeordnete Rock-Fokus, der die Band für all jene, denen die Grenze zwischen CHEFDENKER und CASANOVAS SCHWULE SEITE bislang nicht trennscharf genug verlief, eindeutige Position beziehen lässt. 

Natürlich ist das immer noch Punk. Nur eben nicht in Reinkultur. Aber das war es bei den Kölnern ja selten. Und so sorgt zum Auftakt der vierteilige „24 Stunden Saufworkout“ für Backenspaß, der bei „Die Gezeiten“ mit den wunderbaren Worten beginnt: „Meine Damen, meine Herren, ich gehe davon aus sie saufen gern.“ Schade nur, dass die Übungsrunde in Summe nach knapp vier Minuten vorüber ist. Für die volle Tagesdistanz empfiehlt sich daher die Dauerrotation. Thematisch zentriert bleiben in der Folge auch Titel wie „Preisgünstiges Dosenbier“, „Mythos Leberzirrhose“ oder das in Paarreim-Overkill mündende „Ich saufe mehr als mein Arzt erlaubt“. Darauf eine Gerstenkaltschale im Weißblechmantel!

Aber auf „Eigenuran“ geht es nicht allein um Liebe (zum Suff). Auch um Hass, wie das zum Mitschmettern einladende „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Hass eingestellt“ unzweifelhaft belegt. Der Opportunismus wird auch bei „Der Mann der sich ungern bewegt“ und „Germany’s Next Systemgastronom/in“ gepflegt. Daneben wird es musikalisch abwechslungsreich: „Die Shell Jugendstudie“ streichelt den Rock’n’Roll, „Manni hat Durst“ den Trucker-Country. Über allem thront aber die flirrende Rock-Gitarre, die u. a. beim Tribut an „Chris Howland“, „Das letzte Stück Kuchen“, „Lebenslauf“ (inklusive aufklärerischer Computerstimme) oder „Harter Weg“, das mit sechseinhalb Minuten nah an der epischen Breite rangiert, zu süffisanten Soli ausholt.

Die erforderliche Ballade servieren CHEFDENKER mit „Scheidungskind“, das Claus Lüer auch stimmlich zur Bescheidenheit anspornt. Zumindest, bis die Konklusion in „Dosenbier“-Schreikaskaden mündet. Es gibt eben immer Schlimmeres im Leben. Somit bleibt ein Musikwerk, das strahlt. Im Dunkeln und eigentlich auch allen anderen Lebenslagen.        

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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