Egal wie alt der Punk auch wird, aus der Mode kommt er nicht. Zumindest gemessen an einem subkulturellen Umfeld, das mit seinen (verbliebenen) Klassikern treu Richtung Lebensabend marschiert. Der Titel des neuen BRACKET-Albums erscheint in diesem Kontext regelrecht programmatisch: „Too Old to Die Young“.
Zu den ganz großen des Genres zählten die herrlich unaufgeregten Kalifornier nie. Dass sie trotzdem die Herzen unzähliger Fans rund um den Globus eroberten, liegt neben dem eigentümlichen Mix aus Power-Pop und Punk an ihren Veröffentlichungen über Fat Wreck. Mitte der 90er begannen BRACKET, über das Label von Fat Mike Vinyl-EPs und -Singles zu veröffentlichen.
Es folgten zwei Studio-Alben – „Novelty Forever“ (1997) und „When All Else Fails“ (2000) – sowie ihr Beitrag zur „Live in a Dive“-Reihe (2002). Danach waren die „fetten“ Jahre vorbei. Spätestens mit dem experimentellen Konzeptalbum „Requiem“ (2006) schien klar, dass der Sound des Vierers in eigene Sphären vorgedrungen war. In der Folge gingen es BRACKET langsamer an. Musik wurde nur noch sporadisch produziert, im eigenen Tonstudio – einem umgebauten Wohnwagen.
Bis zur Vorstellung des nächsten Langspielers „Hold Your Applause“ (2014) vergingen acht Jahre. Mit „The Last Page“ (2016) präsentierte die Band weitere zwei Jahre später einen fragmentarischen Klangteppich, ein Mosaik unvollendeter Songideen. Gemessen an der ganzheitlichen Entwicklung erscheint es irgendwie konsequent, dass ihr neuntes Album wieder bei Fat Wreck erscheint.
Es dauert nur wenige Momente, ehe der Opener „Cloud Ate“ sämtliche Erwartungen an „Too Old to Die Young“ übertrifft: ein kurzes rockiges Aufbäumen, gefolgt von einem butterweichen instrumentalen Leitmotiv zeigen eindrücklich, dass mit BRACKET auch auf größerer Ebene immer noch zu rechnen ist.
Stilprägend ist einmal mehr der harmonisch quakige Gesang von Marty Gregori. Er unterstreicht, wie etwa die restlos einnehmenden „Exit Interview“, „A Perfect Misfit“, „Arting Starvist“, „Going Out of Style in Style“ oder „Warren’s Song Pt. 29“ veranschaulichen, die wunderbare Wechselwirkung von BEACH BOYS-influenzierter Gelassenheit, partieller punkiger Schnoddrigkeit und dezenten instrumentalen Dissonanzen.
Wesentlichen Anteil am Gesamteindruck nimmt auch die Länge des Albums: 11 Stücke in 24 Minuten sprechen eine deutliche Sprache. Auch das offenbart: BRACKET agieren wieder geradliniger, eine Spur zurückgenommener und verzichten dennoch nicht auf die vielen Feinheiten, die ihren scheinbar ach so simplen Sound zu einem im Kern komplexen wie zweifelsfrei schrägen Ohrenschmaus für aufgeschlossene Punk-Wertschätzer machen. Auf diese Weise werden BRACKET sicher nie aus der Mode kommen.
Wertung: (8 / 10)