Abbitte (GB 2007)

abbitteWer sich an eine Literaturverfilmung wagt, tanzt auf des Messers Schneide. Vor allem dann, wenn man sich einen Bestseller vorknöpft, solch einen wie Ian McEwans Liebesdrama „Atonement“ bzw. zu Deutsch „Abbitte“. Ein gefährliches Unterfangen kann es vor allem dann werden, wenn die Vorlage schon manchmal recht lang wirkt, was auf „Abbitte“ – gemäß einem weit verbreiteten Tenor – durchaus zuzutreffen scheint. Acht Oscar-Nominierungen sind da nicht immer ein Maßstab, hier aber doch sicherlich, denn die filmische Umsetzung ist schlichtweg herzergreifendes Kino.

Ein englischer Landsitz im Jahre 1935. Die dreizehnjährige Briony (Saoirse Ronan) hat gerade ihr neues Stück zu Ende geschrieben, leider hat sie nur die eingeschränkte Aufmerksamkeit ihrer Umwelt. Da beobachtet sie eine seltsame Szene am Brunnen des riesigen Anwesens, aus dem ihre Schwester Cecilia (Keira Knightley) knapp bekleidet steigt. Unter den Blicken von Robbie (James McAvoy), einem guten Bekannten seit vielen Jahren, ist dieser doch der Sohn ihrer Haushälterin. Der Hintergrund der Szene ist weniger dramatisch, Briony muss sich jedoch an diesen Bildern orientieren, schwärmt sie doch heimlich für Robbie. Dieser wiederum ist in Cecilia verliebt, diese auch ihn, was sie letztlich erstmals während eines Abendessens in der Bibliothek des Hauses ausleben. Eine verstörte Briony stört die Liaison unfreiwillig. Nachdem eine junge Bekannte in derselben Nacht vergewaltigt wird, verdächtigt Briony schnell Robbie. Anhaltspunkte für seine Unschuld gibt es nicht, man glaubt dem kleinen Mädchen. Jahre später – der Zweite Weltkrieg ist in vollem Gange – sucht Briony den Kontakt zu ihrer Schwester, während Robbie mit der geschlagenen englischen Armee bei Dünkirchen auf die Überfahrt nach England wartet.

Von einer langatmigen Erzählweise kann bei der filmischen Umsetzung von „Abbitte“ nicht die Rede sein, auch wenn der Film recht ruhig und fast etwas behäbig beginnt. Die Figuren werden mit der notwendigen Sorgfalt eingeführt. Schon früh bekommt man als Betrachter die Geschehnisse aus mehreren Blickwinkeln erzählt. Die Brunnenszene sieht man zuerst aus der Sicht der jungen Briony, während die fast nüchterne Aufklärung der Hintergründe erst später folgt. Regisseur Joe Wright („Stolz und Vorurteil“) bedient sich auch im weiteren Verlauf des Films dieser Vorgehensweise, inklusive größerer Zeitsprünge. Manches wirkt hier leider zugunsten einer verträglichen Laufzeit gekürzt. Zum besseren Verständnis und aus dramaturgischen Gründen hätte man manches allerdings ausführlicher erzählen können, manches sogar müssen, gerade was die spätere Entwicklung der Beziehung von Ceclia und Robbie angeht.

Absolut überzeugend agieren die Darsteller, allen voran Keira Knightley („Fluch der Karibik“), hier mal endlich in einer ernsthafteren Rolle. Dass sie dazu in der Lage ist, beweist sie eindrucksvoll. Gleiches gilt für das Zusammenspiel mit James McAvoy („Der letzte König von Schottland“), dessen emotionale Darstellung die von Knightley noch übertrifft. Man mag von Anfang an mit ihnen fühlen und leiden, allen voran mit McAvoy, der später in Frankreich für sein Land kämpft. Nachhaltig bleiben hier die Bilder vom Strand von Dünkirchen haften, in denen der Film minutenlang ohne Schnitt über den zerstörten und von Soldaten bevölkerten Strand fährt, untermalt mit Klängen, die das ganze Chaos dieses Augenblicks nicht besser unterstreichen könnten. Von diesen großen emotionalen Momenten gibt es einige in den etwa 130 Minuten Laufzeit. So auch die Szene, in der die mittlerweile 18-jährige Briony als Krankenschwester einem verwundeten französischen Soldaten in dessen letzten Minuten beisteht.

Das dramatische Ende ist nicht aufzuhalten, im Grunde wurde das Schicksal aller in dieser einen Nacht bestimmt. Wie die letzten Minuten dann inszeniert wurden, berührt einfach, viele Worte bedarf es dabei nicht. Die perfekte Ausstattung und eine bewegende musikalische Untermalung unterstreichen dies zudem während des gesamten Films maßgeblich. Es sind die vielen Feinheiten, die den Film zu etwas besonderem machen. „Abbitte“ ist völlig zu Recht einer der großen Filme des letzten Jahres, fern vom Kitsch, den Hollywood sonst gern präsentiert.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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