20.10.2010 – Samiam / The Casting Out / A Death in the Family – Berlin, Lido

Eine Band wie SAMIAM braucht kein neues Album, um die Fangemeinde zu mobilisieren. Auch die unlängst veröffentlichte B-Seiten-/Live-Kompilation aus der geschäftigen Ära zwischen „Clumsy“ und „You Are Freaking Me Out“ nicht. Die wird auf der Herbsttour der Kalifornier zwar angeboten, daneben aber – zumindest beim Gastspiel im Berliner Lido – mit keinem Wort erwähnt. Natürlich sind sie auch des Geldes wegen nach Europa gereist. Eine Indie-Punk-Institution lebt schließlich auch nicht vom Brot allein. Die Prämisse von purer Lust und unermüdlicher Spielfreude blieb aber einmal mehr spürbar.

Auf THE CASTING OUT, die zweite Vorband des Abends, trifft das längst nicht mehr zu. Sänger Nathan Gray scheint gedanklich schon bei der lautstark kritisierten BOYSETSFIRE-Reunion, die er und Kollegen sich im Rahmen der Telekom Extreme Playgrounds in der deutschen Kapitale fürstlich vergüten lassen dürften. Sein in der Vergangenheit frenetisch gefeiertes Folgeprojekt litt in den vergangenen Monaten (neben einer gewissen Übersättigung an Liveauftritten in unseren Breiten) vor allem am enttäuschenden jüngsten Album. Von dem wurden auch diesmal einige Beiträge („Everybody Down!“, „The Power and the Glory“) gespielt. Die Resonanzen des Publikums hielten sich aber in Grenzen.

Neben artigem Beifall gab es für THE CASTING OUT an diesem Abend nicht viel zu holen. Die Akustik ging in Ordnung, nur wollte der Funken einfach nicht überspringen. Gray, der zum Konzertbeginn heftig angetrunken aus der Wäsche guckte, hatte gewohnt sympathische Ansagen in petto. Doch selbst etablierte Hits wie „Walk Away“ oder „These Alterations“ zündeten nicht wie noch zu Zeiten der Vorstellung ihrer ersten Platte „Go Crazy! Throw Fireworks!“. Ähnlich verhalten aufgenommen wurde auch die ansprechende Darbietung der eröffnenden Australier von A DEATH IN THE FAMILY.

Die Klangen in ihren besten Momenten wie die alten SAMIAM. Aber wer will die zugegeben gute Kopie, wenn das Original schon in den Startlöchern steht? Entsprechend losgelöst agierten die rund 400 Anwesenden, als der wieder einmal neu besetzte Höhepunkt des Abends die Bretter des Lido enterte. Zur Formation zählte – neben Frontmann Jason und dem bewährten Gitarrist Sean Kennerly (diesmal mit herbem 70’s-Hufeisen-Schnurbart) – auch wieder einmal James Brogan. Kennerly musste anfangs zum Bass greifen, weil sich Billy Bouchard aus amüsant gemutmaßten Gründen verspätete – und dafür einigen Spott über sich ergehen lassen musste.

Los ging es erwartungsgemäß mit „Sunshine“, das als Zugabe noch einmal gespielt werden sollte. Es fehlte schließlich die zweite Gitarre! Das Set blieb vorhersehbar, was der Anhängerschaft aber noch nie die Stimmung verhagelt hat. Im Gegenteil. Ein stattlicher Teil des Pulks sang über die volle Distanz aus vollem Halse mit. Bei Evergreens wie „Mexico“, „Stepson“, „Full On“ oder „She Found You“ wahrlich kein Wunder. Vergessen wurde diesmal zwar das unverzichtbare „Bad Day“, dafür aber gab es „Sky Flying By“ und „Ain’t No Size That Small“ auf die Ohren. Spaß hatte an dieser grandiosen Darbietung wohl jeder. Es war eben wieder einmal der geschätzte Besuch alter Freunde.

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