Als erster Animationsfilm wurde „Waltz with Bashir“ 2009 für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Dass Regisseur Ari Folman („Made in Israel“) die Auszeichnung verwehrt blieb, dürfte ihn nicht weiter gestört haben. Denn das internationale Interesse an seiner ungewöhnlichen Dokumentation wurde – nach dem Gewinn der Goldenen Palme und eines Golden Globe – zusätzlich angefacht. Mit progressiven Mitteln wagt er sich an die Aufarbeitung der Vergangenheit. Seiner eigenen, gleichwohl der Israels. Verblasste, mehr noch verdrängte Erinnerungen an den Libanonkrieg Anfang der achtziger Jahre werden mühsam zurückgebracht – und entblößen das Ausmaß eines grausamen Massakers.
Aus Gram über die Ermordung des gerade gewählten Präsidenten Bashir Gemayel drangen christlich libanesische Phalange-Milizen im September 1982 unter Duldung und gar mit logistischer Unterstützung israelischer Truppen in die palästinensischen Flüchtlingslager Sabra und Schatila am Rande Beiruts ein und richteten ein furchtbares Blutbad an. Bis Folman diese erschütternde Klimax als Regisseur und Hauptfigur offenbart, fahndet er nach seiner Rolle als Soldat, spricht mit Freunden, Veteranen, einem seinerzeit in der Region tätigen Fernsehjournalisten. Diese sich stückweise vollziehende Rückbesinnung schmerzt. Für ihn aber bedeutet sie die kathartische Konfrontation mit den eigenen Dämonen.
Der Zeichenstil bleibt reduziert. Mit Hochglanz-Animationen und größtmöglicher technischer Perfektion hält es Folman nicht. Über die biographischen Erzählungen seiner Gesprächspartner legt er Bilder und lässt diese, wenn auch verfremdet, lebendig werden. Als Realfilm wäre die dokumentarische Wahrheitssuche auf Spielszenen angewiesen. Die gezeichnete Form aber erlaubt die parallele, die gleichwertige Abbildung von Szenarien des Krieges und dialogischer Interaktion. Erstaunlicherweise nimmt der Zeichenstift den nachgestellten Erinnerungen nicht die Wucht. Die Protagonisten bleiben menschlich, ohne cartooneske Relativierung so echt wie ihre Taten.
Am verstörenden Schlusspunkt, wenn die Rekonstruktion abgeschlossen und das Massaker in seinem Umfang angedeutet wurde, kommt die klassische Dokumentation doch noch zum tragen. In Archivaufnahmen fährt eine Kamera über Leichenberge, zeigt Tod und Verstümmelung. Dazu die (an)klagenden Schreie der Überlebenden. Mit diesen Eindrücken endet Folmans Vergangenheitsbewältigung, die nicht nur den Krieg an der Front abbildet, sondern auch ein Zeitgeistportrait der Jugendkultur in den Achtzigern umreißt. An diese Ära angelehnt bleibt auch der Soundtrack. „I bombed Beirut today“ heißt es dort. Bittere Ironie eines wuchtigen Meisterwerks, das Spuren hinterlässt.
Wertung: (9 / 10)