Tyler Rake: Extraction (USA 2020)

Chris Hemsworth auf Abwegen. Dabei hält der „Thor“-Star dem Segment der Comic-Verfilmungen auch mit dem rohen, von ihm gleich selbst produzierten Action-Drama „Extraction“ die Treue (als Vorlage diente die Graphic Novel „Ciudad“). Nur fungiert er diesmal nicht als Superheld, sondern begibt sich als lebensmüder Söldner Tyler Rake auf die bleihaltige Suche nach seinem Gewissen. Den Auslöser bildet die Entführung von Teenager Ovi (Rudhraksh Jaiswal, „The Tenant“), Sohn des inhaftierten indischen Drogenbarons Mahajan (Pankaj Tripathi, „Gangs of Wasseypur“). Drahtzieher ist dessen in Bangladeschs Hauptstadt Dhakar ansässiger Widersacher Amir Asif (Priyanshu Painyuli, „Bhavesh Joshi Superhero“).

Zunächst schickt Mahajan seine rechte Hand Saju (Randeep Hooda, „Once Upon a Time in Mumbaai“) aus, Ovi aus den Fängen der Konkurrenz zu befreien. Als Motivationsschub dient die Unversehrtheit seiner Familie. Damit die riskante Mission glücken kann, heuert Saju ein Söldnerteam an, für das Koordinatorin Nik Khan (Golshifteh Farahani, „Pirates of the Caribbean: Salazars Rache“) den abgewrackten Tyler rekrutiert. Der ist nicht fürs echte Leben geschaffen, so dass er, befeuert von persönlichen Schicksalsschlägen, abseits des Schlachtfelds nie Fuß fassen konnte. Tatsächlich gelingt es der Elite-Kampfmaschine, Ovi der Gewalt von Asifs Schergen zu entreißen. Da Saju jedoch eigene Pläne verfolgt, entwickelt sich die Mission zum Himmelfahrtskommando.

Die in Teilen unnötig verworrene Story findet locker auf einem Bierdeckel Platz. Dennoch geht der vom hauptberuflich als Stuntman arbeitenden Sam Hargrave („Avengers: Endgame“) schnörkellos inszenierte Reißer bedingt als stumpfes Krawall-Vehikel durch. Das liegt vorrangig an den akzentuierten Figuren; immerhin stattet das Skript vom zweifachen „Avengers“-Regisseur Joe Russo neben dem gebrochenen Tyler auch Ovi, Saju und selbst Asif mit einer fürs herkömmliche Actionkino ungewöhnlichen Charaktertiefe aus. Aus dem Rahmen fällt lediglich „Stranger Things“-Star David Harbour, dessen Nebenrolle nur zu offensichtlich als Träger eines im Grunde überflüssigen – und obendrein streng vorhersehbaren – Randkapitels dient.

Hargraves angestammter Profession entsprechend geht es in seinem Langfilmdebüt körperbetont zu. Da Tyler nicht bereit ist, Ovi für die eigene Sicherheit im Stich zu lassen, bahnt er sich im Berserker-Modus einen Weg durch das abgeriegelte, von Korruption und Elend geprägte Dhakar. Dessen Anmutung stützt das abgründige Stimmungsbild eines Films, der den Zuschauer über Newton Thomas Sigels („Drive“) ausgiebigen Handkameraeinsatz mitten ins Geschehen wirft. Die zünftig brutale (Dauer-)Action kommt dabei ohne Stilisierung aus – und Pathos. Tyler ist zwar aus typischen Heldenformeln abgeleitet. Nur ist sein Handeln nicht politisch motiviert, sondern dem Zweckrationalismus eines Mannes unterworfen, dessen Überlebenstaktik von Frontalangriffen determiniert wird. Daraus resultiert ein keineswegs herausragendes und doch erfreulich ambivalentes Genrewerk. Die geplante Fortsetzung darf daher durchaus wohlwollend aufgenommen werden.   

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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