Der Krieg als Droge, der Ausnahmezustand als Lebenselixier. In „The Hurt Locker“ bringt Thriller-Spezialistin Kathryn Bigelow („Strange Days“) einen Teufelskreis in Bewegung, der den Dienst an der Waffe, den Kampf fürs Vaterland, auf einen Adrenalinrausch reduziert, der in der Heimat in ziviles Scheitern mündet. Entgegen früherer Hochglanzoptik setzt die actionerprobte US-Regisseurin auf eine dokumentarische Perspektive und zeichnet aus dem Ausschnitt dreier Soldatenschicksale heraus ein erschütterndes Bild über die Perversion des Heldentums.
Willkommen sind die amerikanischen Truppen im Irak nicht. Aus der strengen Befestigung ihrer Basislager rücken sie ins unüberschaubare Gewirr von Straßen und Gassen aus. Hinter jedem neugierigen Gesicht, das von Balkonen, von Dächern oder aus umliegenden Geschäften auf sie gerichtet ist, geht potentielle Gefahr aus. Ein Sicherheitsgefühl kann es nicht geben. Überall lauern Hinterhalte, scheinen Heckenschützen und Attentäter verborgen. Die Angst als Motor und die daraus resultierende Abhängigkeit von der Gefahr wird so zum Schutzmechanismus, um das omnipräsente Chaos überhaupt bewältigen zu können.
Nachdem ihr Vorgesetzter bei einer Explosion getötet wurde, übernimmt der junge Offizier William James (Jeremy Renner, „S.W.A.T.“) das Kommando über die Bombenentschärfungs-Einheit von JT Sanborn (Anthony Mackie, „Half Nelson“) und Owen Eldridge (Brian Geraghty, „Jarhead“). Für ihn scheint das Ausblenden von Bedrohung und Risiko ein Kinderspiel. Unerschrocken stellt er sich jeder noch so großen Herausforderung. Unter dem Feldbett hortet er Zünder und Bauteile, die ihn fast getötet hätten. Darunter findet sich auch sein Ehering. Heimat heißt für ihn Lebensgefahr.
Mit überraschender Klarheit ordnet Bigelow Räume zu Gefahrenclustern. Wackelkamera und subjektive Bildausschnitte, begleitet von schwerer Atmung durch das Sichtfenster des Schutzanzugs, helfen ihr dabei. Und erlesene Nebendarsteller wie Ralph Fiennes („Der Vorleser“), Guy Pearce („The Proposition“), David Morse („Twelve Monkeys“) und Evangeline Lilly („Lost“). Konsequent ausgeblendet bleibt hingegen die Politik. Ex-Präsident George W. Bush muss nicht neuerlich abgewatscht, das Für und Wider des militärischen Einsatzes nicht zusätzlich diskutiert werden. Der Film spricht in der perspektivischen Reduktion auf den Blick der Soldaten für sich; mit einer Präzision, die im zeitgenössischen Kino ihresgleichen sucht.
Zu zwischenmenschlichen Beziehungen scheint James kaum mehr fähig. Nur einmal erlaubt er sich, die Maske des unerschütterlichen Draufgängers abzulegen. Auf der Spur eines Kindermörders wagt er sich in die nächtliche Stadt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Zu Helden werden die Soldaten bereits durch die Bewältigung einer endlosen Kette von Gefahrensituationen. Ein Leben ohne sie scheint kaum mehr möglich. Mit handwerklicher Perfektion wird der Krieg zur Droge. Und dem willentlich mitgerissenen Zuschauer bleibt nur das erschrockene Zusammenzucken in seinem Sessel.
Wertung: (8 / 10)