„This is not about the individual. This is about the cause.“ – Überzeugt: Alejandro
Wer denkt bisweilen nicht selbst daran, einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten? Etwas, das wirklich Bedeutung hat. So wie Landminenräumung im Sudan, Armenspeisung in Äthiopien oder Flüchtlingshilfe im Mittelmeer. Für die meisten Menschen in den westlichen Industrienationen ist das globale Elend selbst ungeachtet der Millionen Individuen, die sich unter Einsatz ihres Lebens aus Kriegs- und Krisenherden in sichere Staatsgefüge durchschlagen, verdammt weit weg. Doch es gibt sie noch, die Idealisten, die Sicherheit und Wohlstand hinter sich lassen, um denen zu helfen, die keine Kraft und keine Stimme haben. Ihnen zollt Eli Roth mit „The Green Inferno“ Tribut – und macht sie nach den Regeln des Horrors zu Opfern ihrer eigenen Weltanschauung.
Seine vierte Arbeit als Regisseur nach „Cabin Fever“ und den ersten beiden „Hostel“-Teilen verfügt im Subtext durchaus über satirisches Potenzial. Da ist die von Alejandro (spielte neben Roth im von ihm produzierten „Aftershock“: Ariel Levy) geleitete Aktivistengruppe am US-College, die erst Vergütungserhöhungen für Hausmeister befürwortet und in Peru anschließend versucht, einen Indianerstamm vor anrückenden Bulldozern zu beschützen. Der Reiz liegt im Spiel der Gegensätze. Hier der Kapitalismus mit seinen menschgemachten modernen Alltagsproblemen, dort der Dschungel, in dem die zivilisatorischen Gesetzmäßigkeiten umfänglich ausgehebelt werden. Ihren Rucksack packt auch Justine (wirkte ebenfalls in „Aftershock“ mit: Lorenza Izzo), Tochter eines UN-Anwalts. Sie möchte etwas bewegen. Der möglichen Konsequenzen ist sie sich nicht bewusst.
In den ersten 40 Minuten folgt Roth den Aktivisten, bei der Planung, der Reise und der Durchführung der Protestmission. An Bäume und Bagger gekettet, filmen sie mit ihren Handys Arbeiter und bewaffnete Söldner. Die Bilder werden live ins Internet übertragen. Der Einsatz glückt, die Gruppe wird von den Behörden in ein Flugzeug verfrachtet. Einen Absturz später beginnt das Grauen. Im dicht bewaldeten Nirgendwo werden die Überlebenden von jenem Naturvolk aufgegriffen, das sie zu beschützen gedachten. Nur erweisen sich die Wilden als Kannibalen – und die Verunfallten als reichhaltiges Büffet. Die Vorbilder sind klar erkennbar. Roth blickt zurück aufs italienische Menschenfresserkino der Siebziger und zitiert neben „Cannibal Holocaust“ (1980) den ebenfalls von Ruggero Deodato gedrehten „Mondo Cannibale 2 – Der Vogelmensch“ (1977); Szenarien von Flucht und Verfolgung inklusive.
Die indigenen Personenverköstiger lassen kulturell tief blicken, als sie in der härtesten Sequenz des Films ein erstes Opfer zerlegen. Die Augen werden aus den Höhlen gepopelt, die Zunge wird abgeschnitten, der Reihe nach Arme und Beine abgehackt. Diesem rabiaten, voll aufs flaue Bauchgefühl zielenden Splatter-Exzess stehen jedoch humoristische Anflüge auf Pennälerniveau gegenüber, die Spinne und Penis zusammenbringen oder den nie aus der Mode kommenden Sprühschiss bemühen. Ausgewogen wirkt das kaum. Hinzu kommt die im Vergleich zu den rauen und dreckigen Vorreitern geradewegs polierte Optik – und die verhältnismäßig züchtigen Eingeborenen, die der jungfräulichen Justine bei der gelassenen Vorbereitung ritueller Weihen die Unterwäsche am Körper lassen. Eli Roth serviert einen insgesamt bekömmlichen, am Ende moralisch hübsch doppeldeutigen Menscheneintopf, dem es im Detail jedoch an einer klaren Rezeptur mangelt. Sieht man über die Schwächen hinweg, bleibt dennoch einer der besseren Beiträge zum Thema.
Wertung: (5 / 10)