Das Vermächtnis Jack Ketchums (bürgerlicher Name: Dallas Mayr) gilt als Pionierwerk der Grindhouse-Literatur. Sein erster Roman, „Off Season“ (1979), erhitzte ob seiner expliziten Gewaltdarstellung die Gemüter. 1991 und 2010 folgten Fortsetzungen, die, im Gegensatz zum Erstling, beide verfilmt wurden. „Offspring“, im Deutschen mit „Beutegier“ überschrieben, machte 2009 den Anfang. Ihm folgte mit „The Woman“ (2011) die Fokussierung auf eine wesentliche Figur, deren Geschichte mit „Darlin’“ 2018 von Hauptdarstellerin Pollyanna McIntosh („The Walking Dead“) fortgesetzt wurde, ohne dass der produzierende Ketchum die schriftstellerische Basis geliefert hätte.
Zu „Offspring“ steuerte der 2018 plötzlich verstorbene Hardcore-Literat selbst das stoisch werkgetreue Drehbuch bei – und versäumte es, die Ereignisse des Vorgängers auch nur ansatzweise zu rekapitulieren. Regisseur und Produzent Andrew van den Houten („Headspace“), der auch an den Adaptionen der Sequels sowie der Ketchum-Adaption „Evil“ (2007) beteiligt war, schuf auf dieser erzählerisch holprigen Basis bisweilen preiswert anmutenden Horror mit deftig sleazigen Gewaltspitzen. Mit dem Ergebnis, dass Narration und Inszenierung überaus roh und grimmig wirken. Wie die gegen den Strich konventioneller Kinokost gebürsteten Schocker der 1970er. Entsprechend deutlich transportiert der Neuzeit-Nachbau das unbequeme Moment alter Terror-Klassiker; wenn auch ohne deren subversive, politisch aufgeladene Strahlkraft. Stattdessen gibt es Blut. Viel Blut.
Gestorben wird drastisch, ohne Stilisierung. Deutschen Sittenwächtern erschien das zu explizit, so dass es der Streifen lediglich in einer um mehr als zwei Minuten gestrafften Version zu uns schaffte. Die ewige Diskussion, ob das Selbstbestimmungsrecht Erwachsener mit derartigen Zensureingriffen untergraben wird, ist damit um ein weiteres Referenzbeispiel bereichert worden. Aber seien wir ehrlich: „Offspring“ bietet kaum etwas, das andere Filme nicht bereits eindringlicher – und obendrein besser getrickst – zur Schau gestellt hätten. Allerdings, das muss van den Houten zugutegehalten werden, lebt sein Werk von der schmuddeligen Atmosphäre und den unberechenbaren Handlungsweisen der nomadierenden, zu einem Gutteil aus Kindern (!) bestehenden und lediglich über (untertitelte) Grunzlaute kommunizierenden Menschenfresser.
Deren degenerierte Mikrogesellschaft sichert ihren Fortbestand durch die Assimilierung verschleppter Kinder. Ein solches Schicksal soll auch dem Ehe- und Elternpaar Amy (Amy Hargreaves, „Homeland“) und David (Andrew Elvis Miller, „Red Sands“) blühen, die in ihrem abseits gelegenen Haus an der Küste Maines von Freundin Claire (Ahna Tessler) und deren Sohn Luke (Tommy Nelson, „My Friend Dahmer“) besucht werden. Zunächst sorgt die nahende Ankunft von Claires gewalttätigem Ex- dem soziopathischen Stephen (Erick Kastel, Co-Autor von „Ironclad“) für Sorgenfalten. Doch mit Auftauchen der unbarmherzigen Kannibalen um die von McIntosh verkörperte Anführerin rücken elementare dringendere Herausforderungen in den Vordergrund.
Hilfe verheißt einzig der verrentete, durch eine frühere Begegnung mit der mörderischen Brut traumatisierte Ex-Cop George Chandler (Art Hindle, „Black Christmas“). Der wird von der klischeehaft dämlich agierenden örtlichen Polizeitruppe konsultiert, als grausam zerstückelte Leichen gefunden werden. Und so geht es im Laufe einer Nacht ans Eingemachte. Körper werden aufgeschlitzt, ausgeweidet oder mit echten und falschen Zähnen traktiert. Auf einer psychologischen Ebene erzielt der Streifen dabei jedoch lediglich überschaubare Wirkung; vorrangig, wenn Amy in der heimischen Höhle der Kannibalen gezwungen wird, ein Baby aus deren Mitte zu säugen. Schauspielerisch tendiert die herbe Schlachtplatte von solide bis unprofessionell (man beachte den Gesichtsausdruck des Heranwachsenden beim Durchsteigen des Fensters). Aber auch das fügt sich letztlich perfekt ins Gesamtbild eines handwerklich grobschlächtigen Schmuddelfilms, der sein Heil einzig in ausufernder Grausamkeit sucht.
Wertung: (5 / 10)