„Man wirft kein ganzes Leben weg, nur weil es ein bisschen beschädigt ist.“
So oder so ähnlich lautet die moralisch blütenweiße Aussage des überraschend Oscar-nominierten Filmes „Seabiscuit“. Den strickte „Pleasantville“-Regisseur Gary Ross nach dem Bestseller von Laura Hillenbrand um die wahre Geschichte des gleichnamigen Rennpferdes, das in den 30er Jahren fast im Alleingang die große Depression besiegte und einer Handvoll gesellschaftlicher Außenseiter die Chance zur eigens angetriebenen Rehabilitation einräumte. Vom Leben enttäuschte wie von der Weltwirtschaftskrise überrollte Menschen wie der emsige Autohändler Charles Howard (Jeff Bridges, „Arlington Road“ ), der erst seinen geliebten Sohn bei einem Unfall und anschließend seine am Boden zerstörte Frau durch die baldig folgende Scheidung verliert.
Oder Menschen wie den alternden Cowboy und einfühlsamen Pferdeliebhaber Tom Smith (Oscar-Preisträger Chris Cooper, „American Beauty“), dem die stetig wachsende Industrialisierung und der schier unaufhaltsame Fortschritt die Freiheit der uneingeschränkten Bewegung rauben. Und da ist da noch der zornige Jockey Red Pollard (Tobey Maguire, „Spider-Man“), in den Anfangstagen der grassierenden Armut von den Eltern in ein behüteteres Leben weggegeben. Die Entdeckung des kleinen Hengstes Seabiscuit führt die unterschiedlichen Idealisten zusammen und offenbart mit wachsendem Erfolg und aufkeimender Hysterie in der Bevölkerung die Gelegenheit der seelischen Aufbereitung aller Beteiligten.
„Seabiscuit“ ist in der US-Historie so etwas wie Amerikas „Wunder von Bern“, der Startschuss in bessere Zeiten und zudem der unwiderlegbare Beweis, dass mit einer ordentlichen Portion Ellbogenfett und guten Ideen jeder in den Olymp der strahlenden Sieger emporsteigen kann. So erscheint es nur allzu verständlich, dass sowohl die amerikanische Presse als auch das Publikum in Übersee reichhaltigen Gefallen an dieser archetypischen, obgleich auf Tatsachen beruhenden Inkarnation des naiven amerikanischen Traumes fanden. Eben solche Prinzipien und in Wehmut verpackte Ideale, die schon Hinterhofboxer Rocky zum Kassenschlager und Klassiker der Filmgeschichte reifen ließen.
Dabei zieht der Sog aus überstrapazierendem Pathos und klischeereicher Umsetzung lediglich Nutzen aus der erneuten Schräglage der geschundenen amerikanischen Seele. Die ist durch fehlgeleitete Innenpolitik, ein marodes Gesundheitssystem und überbordende Arbeitslosigkeit in akute Schieflage geraten und kann einen wohl inszenierten Jahrmarkt der Nichtigkeiten durchaus als Balsam der Unterhaltungskultur brauchen. Auf formaler Ebene vermag „Seabiscuit“ bereits in den Startlöchern zu überzeugen, ein gefälliger, wenngleich recht loser Erzählrhythmus formt die Grundlage, auf der John Schwartzmans („Armageddon“) gewohnt gute Kameraführung wie auch Randy Newmans („Die Monster AG“) eindringlicher Score leichtes Spiel zur vollen Entfaltung aufweisen.
Gleiches gilt auch für die sehenswerte Darstellerriege, die den überzeugend aufspielenden Hauptakteuren in gut besetzten Nebenrollen unter anderem William H. Macy („Fargo“) und Elizabeth Banks („Swept Away“) zur Seite stellt. Um dem Geiste dieser Epoche erneuten Odem einzuhauchen, wurden die zahlreichen Rennen nach Originalberichten rekonstruiert und inszeniert, währende im Offset begleitete und semidokumentarische Zwischenschübe die Authentizität manifestieren sollen. Zusammengefasst bedeutet dies dargebotene Zähigkeit, denn in seinem überschätzenden Bestreben, auf epochalem Wege menschliche Lebens- und Leidensgeschichten aufzeigen zu können, verstricken sich Ross und Reiter in akute Langatmigkeit.
So bleibt der Film durchzogen von unterschwelligen Durchhalteparolen und hoffnungsgeschwängerten Phrasen. Die Produzenten haben im Sinne einer kommerziellen Umsetzung damit zweifelsfrei auf das richtige Pferd gesetzt, in Anbetracht der Ambitionen eines zeitlosen Denkmals jedoch nur einen fußlahmen Klepper zu Tage gefördert.
Wertung: (5 / 10)