Panem, das Amerika von morgen, ist ein verkommener Ort. Ein totalitäres System kontrolliert die verbliebenen 12 Distrikte von der Hauptstadt Kapitol aus und gemahnt mit einem pervertierten alljährlichen Wettbewerb an die gescheiterte Auflehnung. Jeder Distrikt entsendet dafür zwei Tribute, je ein Mädchen und einen Jungen zwischen 12 und 18 Jahren. In einer großräumigen Freiluftarena kämpfen die per Losverfahren berufenen Auserwählten um ihr Leben. Am Ende kann es nur einen Sieger geben. Die sogenannten Hunger Games, die Hungerspiele, werden kontinental übertragen, auf das die mittellosen Menschen in der Furcht um das Leben ihrer Kinder erstarren. Aber jeder (neue) Umbruch hat einen Anfang.
Gemessen an anderer zeitgenössischer Jugendliteratur, etwa „Harry Potter“ oder „Twilight“, ist „Die Tribute von Panem“ harter Tobak. Sich bis aufs Blut bekriegende Teenager als Druckmittel eines unerbittlichen Systems, das ihren Leidensweg medial ausschlachtet, klingt nicht gerade nach Stoff, aus dem familienfreundliche Blockbuster gestrickt sind. Trotzdem wurde die Verfilmung von „The Hunger Games“, dem ersten Teil der Romantrilogie von Suzanne Collins, ein großer Erfolg. Und das völlig zu Recht, bietet der Plot abseits der obligatorischen Liebesgeschichte doch ausreichend Potenzial, gängige Hollywood-Unterhaltung in den Schatten zu stellen.
Neu ist die Idee allerdings nicht. Der erzählerische Grundstock ist vom japanischen Schocker „Battle Royale“ geborgt (man könnte auch sagen schamlos geklaut), die landesweite Ausstrahlung als bizarre Überspitzung der altrömischen „Brot und Spiele“-Mentalität Stephen Kings Frühwerk „Menschenjagd“ entliehen, das später als Schwarzenegger-Vehikel „Running Man“ unangemessene Adaption erfuhr. Von solchen Vergleichen sollte man sich aber besser freimachen. Denn sowohl Collins als auch Regisseur Gary Ross („Pleasantville“), die gemeinsam mit Billy Ray („Flightplan“) das Drehbuch schrieben, haben mit ihrer Variation des Themas eine packende Dystopie mit Nachhall geschaffen.
Bei den Vorbereitungen der 74. Hungerspiele meldet sich die 16-jährige Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence, „X-Men: Erste Entscheidung“) in Distrikt 12 freiwillig, um ihre zuvor ausgeloste jüngere Schwester zu retten. Neben ihr muss Bäckersohn Peeta Mellark (Josh Hutcherson, „The Kids Are Alright“) in den Kampf ziehen, der heimlich in Katniss verliebt ist. Vor dem Wettkampf werden die beiden vom einstigen Turniersieger Haymitch Abernathy (Woody Harrelson, „Rampart“) vorbereitet, der die quälenden Erinnerungen an seine Teilnahme in Alkohol ertränkt. Bei öffentlichen Vorstellungen müssen sie mit ihren Gegnern um die Gunst der dekadenten Einwohnerschaft des Kapitols buhlen und Sponsoren für sich einnehmen, die während des Kampfes Medizin und Nahrung schicken können.
Das postapokalyptische Szenario inszeniert Ross als Mischung aus Großer Depression und altmodischer Science-Fiction. Die Uniformen der Soldaten Panems erinnern an Designs der 60er und insbesondere Truffauts „Fahrenheit 451“. Die Bewohner des Kapitols wirken in ihrer grotesken Kostümierung samt daumendicker Schminkmaske – darunter Elizabeth Banks („Zack and Miri Make a Porno“) als Katniss und Peetas Betreuerin Effie Trinket – hingegen wie eine entartete Zirkusgemeinschaft. Den Hauptteil der Handlung nimmt allerdings der Kampf in der bewaldeten Arena ein, in dem sich Katniss, sehr zum Unwill von Panems Präsident Snow (Altstar Donald Sutherland, „M*A*S*H“), zum Publikumsliebling mausert.
Durch ihr Verhalten, insbesondere die Paktierung mit der jungen Rue (Amandla Stenberg, „Colombiana“) aus Distrikt 11, avanciert sie gar zum Vorboten des Widerstands. Aber erst einmal gilt es der über sie hereinbrechenden Gefahr eines gewaltsamen Todes zu entgehen und den verwundeten Peeta zu retten. Dabei ist „The Hunger Games“ trotz weitgehender Andeutung vor allem für jüngere Zuschauer viel zu brutal geraten. Aber die guten Jungdarsteller bieten ausreichend Identifikationspotenzial, was in Verbindung mit namhaften Nebenakteuren – u.a. Stanley Tucci („Margin Call“), Wes Bentley („American Beauty“) und Rocker Lenny Kravitz („Precious“) – auch für Erwachsene fesselnd und vor allem abgründig genug bleibt. In dieser Arena geht der Daumen klar nach oben!
Wertung: (7,5 / 10)