Muss die entartete Wissenschaft denn immer eine Männerdomäne bleiben? Im Berufsstand der Mad Scientists sind Frauen rar gesät. Eine der wenigen Ausnahmen ist „Lady Frankenstein“, die 1971 zur Tat schritt und sich, der Name verrät es, an der Belebung toter Materie versuchte. Ruhm bringt es ihr keinen ein. Im Gegensatz zu Regisseur Mel Welles („Das Geheimnis der Todesinsel“), der bis heute mit stolzgeschwellter Brust über seine Schöpfung spricht, für die ihm ein stattliches Budget zur weitgehend freien Verfügung gestellt wurde.
Welles Variation des „Frankenstein“-Mythos beginnt klassisch, in der Tradition britischer Hammer-Filme. Das bedeutet merkliche Mühen bei Kostümen und Ausstattung sowie einem grundlegenden Verzicht auf langes Vorgeplänkel. Wenn der auch nicht mit gesteigertem Tempo verwechselt werden darf. Für die Rolle des Barons Frankenstein konnte Joseph Cotton verpflichtet werden, der nach seiner Mitwirkung in Klassikern wie „Citizen Kane“ oder „Der dritte Mann“ allmählich in der Versenkung verschwand. Natürlich macht auch er dem Familiennamen alle Ehre und bastelt sich ein Geschöpf aus Leichenteilen.
Seine Versuchsreihen versucht er vor der frisch angereisten Tochter Tania (Rosalba Neri, „Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu“), selbst studierte Medizinerin, um jeden Preis geheim zu halten. In ihrer Neugier aber durchschaut sie das väterliche Versteckspiel und bietet sogleich ihre Hilfe an. Doch als Frankenstein dem zusammengestoppelten Patchwork-Menschen – entgegen der Warnungen seines Assistenten Charles (Paul Muller, „Vampyros Lesbos“) – ein schadhaftes Gehirn einpflanzt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Die Folgen aber sind absehbar und schicken das emotionslose Monster auf Trümmertour.
Erstes Opfer ist der Professor selbst, dem die herzliche Umarmung seiner Schöpfung blutrot zu Kopfe steigt. Das ruft Kommissar Harris (Mickey Hargitay, „Scarletto – Schloss des Blutes“) auf den Plan, der Frankensteins verschlagene Leichenbeschaffer (als Grabräuber betätigt sich u.a. Herbert Fux, „Jack the Ripper“) schon länger argwöhnisch beobachtet. Tania führt die väterlichen Experimente fort und gedenkt, da sie den ihr hörigen Charles physisch nur spärlich erregend findet, sein Gehirn in den knackigen Körper des mental zurückgebliebenen Stallburschen zu verpflanzen.
Wer am Spiel mit (etwas) Blut und nackter Haut Gefallen findet, der wird vereinzelt mit visuellen Appetithappen belohnt. Als Kulisse diente ein echtes Schloss und auch der mancherorts niedergegangene Schneefall trägt zur atmosphärischen Steigerung bei. Den Mühen von Ausstattung und Bebilderung stehen jedoch das inkonsistente Skript und die lächerliche Maske des Monsters gegenüber. Das schwankt mit vorstehendem Gummiauge durchs Ländle und würgt Bauernvolk, das ihm stets willig in die starken Arme läuft. Der Mob kann das natürlich nicht gutheißen und bläst letztlich zum Sturm auf die Burg (und die mutwillige Zertrümmerung des Inventars). Insgesamt nicht sonderlich gut, aber immerhin recht gut gemacht.
Wertung: (5 / 10)