Im Prolog zu Takashi Miikes „Fudoh – The New Generation“ heißt es, der Mensch sei das grausamste Tier auf der Welt. Dieser alles zerstörenden Bestie in Menschengestalt hat der japanische Regie-Exzentriker mit „Izo“ einen weiteren Film gewidmet. Und doch ist der anders als Miikes übrige Werke. Vollends verzichtet er auf narrative Stringenz und pflastert seine unheilschwangere Allegorie im Gegenzug mit verstörender Metaphorik. Gebettet in eine schier endlose Ansammlung grausamer Scharmützel fördert dieses filmische Experiment vor allem eines – die Konfusion des Betrachters.
Als Handlanger einer rebellischen Bewegung wird der Samurai Okada Izo im 19. Jahrhundert hingerichtet. Rasend vor Zorn wandert Izos Geist nach seinem Tod umher, willens dem Grund seiner Pein mit der Macht des Schwertes auf den Grund zu gehen. So schlachtet sich der einsame Wanderer durch die Jahrzehnte und fordert jeden zum Kampfe heraus, der die Schuld an seinem Schicksal tragen könnte. Bis der unerschrockene Krieger schließlich einer höheren Macht gegenüber steht.
In erster Instanz erscheint „Izo“ wie eine stumpfe Ansammlung strapaziöser Actionsequenzen. Und tatsächlich benötigt man ein wenig Sitzfleisch, um dem entfesselten Bildersturm ohne Ermüdungserscheinungen bis zum Ende folgen zu können. Doch ist der Film mehr als nur stupide Endlosmetzelei. Denn das komplexe Gebilde montierter Szenenfolgen entpuppt sich als philosophischer Diskurs über den Sinn des Seins. Archivaufnahmen einer Geburt, Dokumentarische Schnipsel düsterer Epochen und bedeutungsschwangere Balladen eines mehrfach auftretenden Musikers unterstreichen das Bestreben der Macher, auf verschlungenen Pfaden ihr Ziel zu erreichen.
Die Gesellschaftskritik ist meist schwer zu durchleuchten, geizt auf der Gegenseite jedoch nicht mit visueller Durchschlagskraft. Da verwandeln sich herausgeputzte Handelsvertreter in scharfzahnige Vampire oder gieren hochrangige Staatsführer und Militärs am runden Tisch nach immer größerer Machtbefugnis. Dass Japans quertreibender Superstar Takeshi Kitano („Battle Royale“) bei solch einer filmischen Subversivität nicht fehlen darf, versteht sich praktisch von selbst. Dabei ist „Izo“ die erste Zusammenarbeit der Kult-Regisseure Miike und Kitano.
Trauer und Hass vermengen sich bei diesem ideologischen Rundumschlag zu einem verstörenden Panoptikum der Gewalt. Unablässig bahnt sich der nimmermüde Krieger seinen Weg durch Heerscharen von Opponenten. Egal ob Spezialeinheit der Polizei, gegnerische Samurais oder Yakuza-Schergen, Izo löscht am laufenden Band und ohne Gnade Leben aus. Inseln der Ruhe in diesem Orkan blutiger Gewalt sind verhaltene Momente meditativer Ruhe. Wenn Izo gemächlich durch ein Feld leuchtender Blumen schreitet, könnte der Kontrast zur Sprache des Schwertes nicht größer sein.
Takashi Miikes Regie und die Ausstattung der stetig wechselnden Handlungsorte sind einfallsreich und aufwändig gestaltet. Dabei kann „Izo“ in seinem allegorischen Bestreben als Miikes Antwort auf Akira Kurosawas „Träume“ bezeichnet werden. Denn nicht nur, dass der sperrige Film die Konfrontation mit den eigenen Ängsten forciert, er rechnet auch gnadenlos mit der destruktiven Egozentrik der Menschen ab. Das Leben ist ein unaufhörlicher Kampf ums Überleben. Selbst bei Miike waren Darwinismus und Nihilismus nie so offenkundig und bösartig wie hier.
Wertung: (7 / 10)