„Japan ist dem Untergang geweiht.“
Betrachtet mit den Augen von Takashi Miike, unbestritten einem der kontroversesten und zugleich innovativsten Regisseure unserer Zeit, erscheint diese Äußerung durchaus plausibel. Denn der 42-jährige Kino-Anarchist konfrontiert die Zuschauer seiner Heimat, gleichwohl aber auch die Anhänger seiner verspätet und in spärlicher Zahl erscheinenden Werke außerhalb Asiens, mit menschlicher Abgründigkeit, die selbst gestandenen radikalen Filmemachern wie Takeshi Kitano Tränen in die Augen treiben dürfte. Ausnahmeregisseur Miike, der seine Karriere mit der Herstellung von billigen Videoproduktionen begann und heute etwa vier Filme pro Jahr dreht, fühlt sich in fast allen Genres zu Hause. So befinden sich unter den mehr als 30 (!) unter seiner Direktion entstandenen Werke auch Softpornos, Teenie-Filme und Horrorstreifen.
Bevorzugt jedoch greift Miike, ähnlich wie bereits erwähnter Kollege Kitano, bei den Thematiken seiner Filme auf die Gangsterwelt der Yakuza zurück und lieferte dabei z. B. die blutige Manga-Realverfilmung „Fudoh – The New Generation“ oder den grotesk genialen „Dead or Alive“ ab. Kürzlich erschien nun endlich auch sein bereits 1999 gedrehtes Meisterwerk „Audition“ in Deutschland. In diesem, basierend auf einem Roman von Ryu Murakami, kapselt sich der erfolgreiche Geschäftsmann Aoyama (Ryo Ishibashi) nach dem tragischen Tod seiner Frau fast gänzlich ab, um sich fortan der Erziehung seines Sohnes (Renji Ishibashi) widmen zu können. Sieben Jahre später entschließt sich Aoyama auf Drängen seines Filius hin, erneut auf die Suche nach einer Partnerin zu gehen. Hilfe erhält er dabei von seinem Freund Yoshikawa (Myuki Matsuda), einem einflussreichen TV-Produzenten, der zur diskreten Suche nach einer geeigneten Gemahlin ein fingiertes Vorsprechen für ein nie realisiertes Drehbuch vorschlägt. Im Rahmen dieser Audition fällt Aoyamas Wahl auf die verschüchterte wie rätselhafte Asami (Eihe Shiina). Eine Entscheidung, die der liebenswürdige Mann schon bald bitter bereut. Denn die undurchsichtige Schöne entlädt ihren gesamten Hass auf die peinigende und demütigende Welt der Männer an Aoyama.
„Audition“ ist anspruchsvoll, schockierend und sperrig – ein krasses, schwer verdauliches Filmwerk. Die Erzählweise kommt sehr ruhig daher, geradezu leise, ohne große Momente der Bewegung. Im Vordergrund stehen die vereinsamten Seelen des gutherzigen Witwers und der zurückhaltenden jungen Frau. Doch schnell beschleicht Beklemmung den Zuschauer, nicht zuletzt aufgrund der gemächlichen, fast voyeuristisch anmutenden Kameraführung. Die Schlichtheit der grandiosen Bebilderung scheint die Gefühlswelt der durchweg gut dargestellten Hauptcharaktere schier herauszuschreien. Der Film entwickelt in seinem Minimalismus eine schwer vergleichbare Atmosphäre, die in einem kaum erträglichen Finale gipfelt, welches die Grenzen des Zumutbaren sprengt. Miike schafft eine Trostlosigkeit und Tristesse, die dem mentalen Tanz auf einer Rasierklinge gleichkommt und kreiert auf diese Weise ein Drama von selten dagewesener Intensität. Es ist einer jener Filme, Michael Hanekes „Funny Games“ gleichkommend, bei denen man sich einen nochmaligen Durchlauf definitiv zweimal überlegen wird.
Wertung: (8,5 / 10)