Der deutschsprachige Punk hat sich in den vergangenen Jahren vermehrt im massenkompatiblen Rock festgesetzt. Daran ist, nicht zuletzt gemessen an den kommerziellen Möglichkeiten, die solch wachsende Publikumsvorlieben mit sich bringen, zunächst nichts auszusetzen. Wie so oft schleicht sich aber auch hier eine Übersättigung ein, die es aufstrebenden Bands zunehmend schwer gestaltet, aus dem „Die klingen doch wie…“-Spannungsfeld auszubrechen. Das zeigt sich auch bei HERZBLUT und ihrem zweiten Album „Berliner Jungs“, das mitunter stark dem Schaffen der Kempener Genre-Kollegen BRDIGUNG ähnelt.
Wo die allerdings eine nennenswerte Dosis Metal in die Waagschale werfen, bleiben die Hauptstädter bei kernigem Rock mit Herz und hymnischen Momenten. Dass die Haltung dabei eine durchaus entscheidende Rolle einnimmt, ergibt sich aus der Abgrenzung zu kontrovers diskutierten Bands wie FREI.WILD & Co. Auch deren immens erfolgreicher Sound fußt auf Grundregeln des Punks. Nur eben die Texte nicht. Damit keine Zweifel aufkommen, teilen HERZBLUT gegen Internet-Trolle („Lauter schreien“) aus, prangern in stumpfsinniger Manier rechte Tendenzen bei der Polizei an („Pegizei“), rechnen mit Medien und Gesellschaft ab („Ich kotz im Strahl“) oder stehen den Aufrechten in der Nazi-Hochburg „Jamel“ bei.
Im Dienste der Abwechslung kommen dabei vereinzelt Bläser oder Ska-Rhythmen zum Tragen, während das letztgenannte Stück formal wie textlich auf Western-Motive setzt. Zudem sorgen Gastsängerin Sarah Farina (beim ironischen Langzeit-Beziehungs-Klischee-Schaulaufen „Ich bin frei“) sowie MAD SIN-Frontmann Koefte Deville beim standardisiert auf Stimmung pochenden Titeltrack für weitere Farbtupfer. Abseits betont heiterer Ausflüge wie „Komm her mein Schatz“ oder „Auf Wiedersehen“ stimmt „Dämonen“ im Umgang mit dem Reizthema Depression kontrastierend düstere Klänge an. Nun könnte man urteilen, dass hier für jeden etwas dabei ist. Wer deutschsprachigem Rock mit Hang zur Klatsch- und Schunkel-Animation wohlgesonnen erscheint, dürfte dem fraglos zustimmen. Dem Rest dürften formal wie inhaltlich einfach zu viele Allgemeinplätzchen gebacken werden.
Wertung: (5,5 / 10)