Wenn große wie kleine Kinogänger weltweit die Säle der Lichtspielhäuser erstürmen, so lässt dies einzig den Schluss der Rückkehr von Zaubernovize Harry Potter zu. Mangelndes Interesse brauchen die Macher von „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ dabei trotz beinahe zweijähriger Kinoabstinenz nicht zu fürchten, scheint die schiere Hysterie um die gefahrvollen Abenteuer des zauberkundigen Waisenknaben doch in allen gesellschaftlichen Schichten und ungeachtet jeglichen Altersstandes nahezu ungebrochen.
Doch gibt es in Bezug auf die filmische Adaption des dritten Bandes der Saga um den Kampf gegen den sinistren Lord Voldemort und dessen Schergen manch einschneidende Änderung zu verzeichnen. Allen voran die Verpflichtung des mexikanischen Filmemachers Alfonso Cuarón, der im vergangenen Jahr für „Y Tu Mamá También“ eine Oscar-Nominierung erhielt. Er löst Chris Columbus ab, der die beiden Vorgänger inszenierte und dem Projekt als Produzent jedoch erhalten bleibt.
Zweifelsohne wird „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“, gemessen an der proportional mit dem Umfang der literarischen Vorlage wachsenden Straffung des Stoffes, bei puristischem Anhängern des Potter-Universums auf Unmut stoßen. Recht haben die Kritiker sicher, denn die Verfilmung kann die verschachtelte narrative Stringenz von Autorin Joanne K. Rowling unmöglich auf Zelluloid bannen. Doch erweist sich Alfonso Cuarón dem geschriebenen Wort der britischen Schriftstellerin als jederzeit würdig und präsentiert sich trotz eingestandener Unerfahrenheit auf dem Terrain des effektlastigen Unterhaltungskinos als visionärer Dompteur der Zauberer und Hexen.
Deren fern des Verständnisses der nicht magiekundigen Muggel existente Parallelwelt befindet sich zu Beginn von Harry Potters (Daniel Radcliffe) drittem Schuljahr an der arkanen Akademie Hogwarts denn auch in heller Aufregung. Denn niemand geringerem als dem gefürchteten Mörder Sirius Black (Gary Oldman, „Bram Stokers Dracula“) ist die Flucht aus dem schwer bewachten und berüchtigten Kerkerverließ Askaban gelungen. Aus eben diesem Grunde besteht gerade für Harry erhöhte Aufmerksamkeit, gilt Sirius Black doch als Verräter und somit Mitschuldiger am gewaltsamen Tode seiner Eltern.
Den bangen Vermutungen des Zaubereiministeriums und des Lehrerkollegiums zufolge befindet sich der gefährliche Ausbrecher bereits auf unmittelbarem Wege nach Hogwarts. So geraten Harry und seine besten Freunde Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) einmal mehr in ein Geflecht aus Verrat und Intrigen, in dem nichts so zu sein scheint, wie es sich auf den ersten Blick präsentiert. Eine Konfrontation zwischen Harry Potter und Sirius Black scheint derweil unausweichlich. Doch welche Rollen spielen dabei die Professoren Snape (Alan Rickman) und Lupin (David Thewlis, „Sieben Jahre in Tibet“), frisch zum Lehrerkollegium addierter Mentor für die Verteidigung gegen dunkle Künste?
Unter der Direktion von Potter-Frischling Cuarón fusioniert die schlüssige, obgleich oftmals fragmentarische Charakterisierung der zahlreichen Figuren eindrucksvoll mit einem imposanten Bilderreigen. Die Effekte sind abermals hochklassig, gleiches gilt für die stimmungsvolle Kameraarbeit von Roger Pratt („12 Monkeys“), der sich bereits für die atmosphärische Bebilderung des ersten Sequels verantwortlich zeigte. Allerdings stellt der visuelle Triumphzug, dessen Speerspitze neben den mit paralysierenden Kräften ausgestatteten Dementoren die rasante Fahrt des dreistöckigen Magier- und Hexennottransportes „Der fahrende Ritter“ bildet, die Darsteller fast in den Schatten.
Das liegt aber auch an der insgesamt eher sporadischen Präsenz der Vielzahl namhafter Akteure. Neben Robbie Coltrane („From Hell“), Maggie Smith („Tee mit Mussolini“) und Warwick Davis („Willow“) komplettieren die Neuzugänge Emma Thompson („Viel Lärm um nichts“) als verschrobene Wahrsagerin Trelawney und Michael Gambon („Sleepy Hollow“) als Nachfolger des verstorbenen Richard Harris in der Rolle des Schulleiters Albus Dumbledore die prominente Besetzung. So ist der 130 Millionen Dollar schwere dritte Part der auf sieben Bände konzipierten Romanreihe der düsterste und bislang gelungenste, wunderbar schlüssig erzählt und erneut untermalt von einem überzeugendem Score des legendären Komponisten John Williams („Star Wars“). Und obgleich der Mittelteil von „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ dramaturgische Schwächen aufweist, stellt das furiose Schlussdrittel bezüglich erzählerischer Dichte doch jegliche Klasse der beiden Vorgänger in den Schatten.
Wertung: (8 / 10)