Grantchester (Series 2) (GB 2016)

Die Auftaktstaffel der britischen Krimi-Serie „Grantchester“ (nach Schriftsteller James Runcie) erwies sich entgegen der altbackenen Prämisse – Priester und Polizist lösen gemeinsam Mordfälle – als angenehm hochklassig. Plastische Charaktere, humorige Spitzen, glaubhafte dramatische Verstrickungen und nicht zuletzt das Miteinander von ausdrucksstarken Schauspielern und schwelgerischem, in 50’s-Zeitkolorit badendem Hinterland-Idyll zementierten den Erfolg bei Kritikern und Publikum. Staffel zwei markiert jedoch einschneidende Veränderungen, die sich neben der grundlegenden Tonalität der Erzählung vorrangig auf das Verhältnis zwischen Vikar Sidney Chambers (James Norton, „Happy Valley“) und dem in Freundschaft verbundenen Polizisten Geordie Keating (Robson Green, „Being Human“) auswirken.

Den Anlass dazu liefert die erste Episode, in der nach dem Verschwinden eines Mädchens – und belastenden Tagebuchaufzeichnungen – zunächst Sidney in Verdacht gerät. Der aufgebrachte Vater Harding Redmond (Neil Morrissey, „The Night Manager“) wittert ein Verbrechen – und soll Recht behalten. Durch die Festnahme des jungen Gary Bell (Sam Frenchum, „Holby City“), einem Freund des Opfers, prallen über die Dauer der neuerlich sechs Folgen umfassenden Fortsetzung Sidneys und Geordies gänzlich unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich Schuld und Sühne aufeinander. Für Sidney, der durch die Heirat seiner großen Liebe Amanda (Morven Christie, „The A Word“) mit dem wohl situierten wie aufbrausenden Guy Hopkins (Tom Austen, „The Royals“) zusätzlich jeden Halt verliert, mündet dies in eine Phase alkoholgetränkter Trauer.

Die kurzzeitige Näherung an die selbstbewusste Polizei-Sekretärin Margaret Ward (Seline Hizli, „Land Girls“) kann den freien Fall des Geistlichen nicht stoppen. Der sich zuspitzende Bruch mit Geordie wird zwar kurzzeitig abgefedert, als auch dieser unter Mordverdacht gerät, über weite Strecken erscheint die tiefe Verbundenheit der beiden Hauptfiguren aber nachhaltig zerrüttet. Die aus diesem kontinuierlichen dramaturgischen Unterbau resultierende narrative Geschlossenheit, die allein von weiteren Mordfällen, u. a. von Selbstjustiz oder geheimdienstlichen Verstrickungen an der Universität Cambridge geprägt, ins typisch episodische Metier unterbrochen wird, verleiht „Grantchester“ im zweiten Anlauf einen merklich üppigeren Nachhall.

Der grundlegende Unterhaltungswert leidet unter dem düsteren Stimmungsbild, in dem auch der sexuelle Missbrauch Minderjähriger durch kirchliche Würdenträger mitschwingt (als relevanter Nebenpart: Andrew Knott, „The Driver“), keineswegs. Denn auf den momentweise aufblitzenden Humor muss ebenso wenig verzichtet werden, wie auf den Beistand längst etablierter Nebenfiguren: Während der schwule Kirchennovize Leonard Finch (Al Weaver, „Marie Antoinette“) eine zögerlich platonische Romanze mit Fotograf Daniel Marlowe (Oliver Dimsdale, „Mr Selfridge“) eingeht, wird die schroffe Hauswirtschafterin Mrs. Maguire (Tessa Peake-Jones, „Only Fools and Horses“) vom charmanten Jack Chapman (Nick Brimble, „Ritter aus Leidenschaft“) umgarnt. Auch Geordies Frau Cathy (Kacey Ainsworth, „EastEnders“) erhält mehr Gewicht als in der Vorgänger-Staffel, so dass die verschiedenen Milieus in bewährter Period-Drama-Manier stilvoll ausgelotet werden. Kurzum: Ein in allen Belangen glänzendes Kapitel britischer Serienkultur.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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