Grantchester (Series 3) (GB 2017)

Etwas ist anders in Grantchester, jenem nahe der englischen Universitätsstadt Cambridge gelegenen Provinz-Idyll, in dem verblüffend viele Menschen durch Fremdeinwirkung zu Tode kommen. Denn mehr denn je ringt Vikar Sidney Chambers (James Norton), der sich als inoffizieller Ermittlungspartner von Polizei-Inspektor Geordie Keating (Robson Green) etabliert hat, mit seinem Glauben. Zu Beginn der dritten, wiederum aus sechs Episoden bestehenden Staffel, pflegt er das Verhältnis mit seiner großen Liebe Amanda (Morven Christie) ein wenig zu offen. Schließlich ist sie nicht allein von ihrem Mann Guy (Tom Austen) getrennt, sondern auch Mutter eines kleinen Kindes. Die ohnehin begrenzte Liberalität der Kirche, nicht allein in den 1950ern, stößt da merklich an ihre Grenzen.

Das daraus resultierende Dilemma wird durch den neuen Archidiakon Gabriel Atubo (Gary Beadle, „The Interceptor“), einen moralischen Hardliner, noch verstärkt. Für Sidney bedeutet das, sich zunehmend entscheiden zu müssen: Amanda oder das Kirchenamt. Doch nicht nur er hat in der emotional für die Protagonisten aufwühlenden Staffel seine Probleme: Der zunehmend frustrierte, situativ gar unberechenbare Familienvater Geordie beginnt eine Affäre mit der Polizei-Sekretärin Margaret (Seline Hizli), die seine Ehe mit Cathy (Kacey Ainsworth) an den Rand des Scheiterns drängt. Der homosexuelle Jung-Geistliche Leonard (Al Weaver) hingegen glaubt, durch die Verlobung mit Mauerblümchen Hilary (Emily Bevan, „In the Flesh“) ein Leben in Normalität führen zu können. Allerdings muss er sich dafür gänzlich selbst verleugnen.

Hauswirtschafterin Mrs. Maguire (Tessa Peake-Jones) hat mit Jack Chapman (Nick Brimble) einen galanten Verehrer bei der Hand. Auch der würde gern die Hochzeitsglocken läuten hören. Doch als sich herausstellt, dass ihr im Krieg verschollener Gatte Ronnie (Charlie Higson, „Broadchurch“) mitnichten tot ist, wird auch Mrs. Maguires Gefühlsleben auf den Kopf gestellt. Bei so viel emotionalen Wirrungen sorgen die angeflanschten Kriminalfälle für willkommene Abwechslung. Dass es dabei diesmal nicht alleine um Mord geht, veranschaulicht die Entführung eines Kindes, bei der die Motive weniger verwerflich scheinen, als ursprünglich zu erwarten wäre. Auch Sidneys Selbstfindungstrip ins Hinterland, wo er Ronnie Maguire in einer Roma-Kommune aufspürt, sorgt ungeachtet eines weiteren Mordes für die willkommene Variation des üblichen Settings – und obendrein eine der stärksten Episoden der bisherigen Gesamtserie.

Daneben garantiert u. a. ein Serienmörder, der seine Taten durch die Platzierung einer toten Krähe ankündigt, ein vergiftetes Cricket-Team und eine Überfall-Serie dafür, dass die Protagonisten nicht zur Ruhe kommen. Die von Sidney einmal mehr offenbarte Selbstgerechtigkeit, gerade bei der Gegenüberstellung seiner und Leonards verborgener und, gemessen an den moralischen Standards der Kirche verbotener Sehnsüchte – beteiligt ist auch wieder der ebenfalls schwule Fotograf Daniel (Oliver Dimsdale) – unterfüttern stärker als zuvor den dramatischen Überbau der Reihe. Der gefühlsbetonten Konflikte sind es, bezogen auf die Kürze der wiederum sehenswerten Staffel, fast zu viele. Nachhaltige Klärung deutet sich aber zumindest für manche von ihnen an. Daher steht der Aufklärung weiterer Verbrechen einzig das finale Ultimatum entgegen, bei dem sich Sidney ein für allemal für das zu entscheiden hat, was ihm am wichtigsten erscheint.  

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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